Der Begriff "Achtsamkeit" ist leider in den letzten Jahren regelrecht zu einem Modewort geworden. Unternehmen gehen "achtsam" mit ihrem Personal um, in einem Workshop wird in "achtsamer" Weise, ein Fotograf macht "achtsame" Porträts ... . Bei genauem Hinschauen begegnet man diesem Begriff tagtäglich in allen möglichen und unmöglichen Zusammenhängen. Wenn man dann mal nachfragt, was ich hin und wieder tue, begegne ich einer enttäuschenden Oberflächlichkeit. "Achtsam" ist dann meist eher eine Floskel, ohne tieferen Sinn. Es klingt halt gut und wird oft auch werbewirksam verwendet.
Was verstehe ich aber unter Achtsamkeit? Ich orientiere mich am Achtsamkeitsbegriff von Jon Kabbat-Zinn, einem Molekularbiologen, der sich schon vor 30 Jahren Yoga und der Zen-Meditation übte. Er kam auf die Idee seine Erfahrungen auch medizinisch zu nutzen und gründete schon 1979 am Massachusetts University Hospital eine Abteilung zur Stressreduzierung. 1990 schrieb er auf aufgrund seiner klinischen Erfahrungen sein Buch "Gesund durch Meditation", eine Grundlagenwerk bis zum heutigen Tag. Mit diesem Buch verbreitete sich die Achtsamkeits-praxis zuerst in USA, dann aber auch in Europa. Heute gibt es sogenannte MBSR-Kurse auch bei uns fast überall. MBSR steht für "Mindfullness Based Stress Reduktion" also achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Diese Achtsamkeits-praxis hilft nachweislich in vielen Lebenssituationen (Stress!)
Ich bin der Achtsamkeit zwar schon vor vielen Jahren immer wieder in meiner Beschäftigung mit dem Buddhismus begegnet, richtig an Bedeutung gewonnen hat sie aber erst durch meine Teilnahme an einem solchen MBSR-Kurs vor einigen Jahren.
"Achtsamkeit ist die Bewusstheit, die entsteht, indem wir im gegenwärtigen Moment absichtlich und ohne zu urteilen aufmerksam sind." so definiert Jon Kabbat-Zinn diesen Begriff. Etwas prägnanter gefasst, heißt Achtsamkeit, jeden Moment bewusst wahrzunehmen, ohne ihn zu bewerten.
Wichtig ist der gegenwärtige Augenblick, nicht die Vergangenheit oder die Zukunft. Oft wird Achtsamkeit auch mit Konzentration gleichgesetzt, sie hat aber eine vollkommen gegensätzliche Zielrichtung. Konzentration heißt sich aufmerksam auf ein Objekt zu fokussieren, seinen Blickwinkel auf dieses Objekt hin zu verengen, in ein fotografisches Verständnis umgesetzt, ein Teleobjektiv verwenden. Achtsamkeit will genau diesen Blick weiten - fotografisch gesehen also mit einem Weitwinkelobjektiv arbeiten - eine umfassende Offenheit für die gesamte Fülle meiner Wahrnehmungen schaffen. Genau diesen Effekt habe ich nach jahrelanger Achtsamkeitspraxis in meiner Fotografie entdeckt. Mein Blick auch im Alltag ist weiter geworden, ich nehme sehr viel mehr wahr. Das wird mir auch von meiner Umgebung immer wieder mal bestätigt. Und genau diese Erfahrung ist der Grund für diesen Blog.