Durch mein langjähriges Achtsamkeitstraining habe ich ja gelernt, ruhig zu bleiben - auch wenn man sich mal wieder aufregen könnte. Einen solchen Moment habe ich gerade erlebt: Im Newsletter einer bekannten Fotografie-Akademie ist ein Kurs mit dem Titel "Licht, Zen und Bokeh" ausgeschrieben. Voller Neugier und Interesse habe ich dann den Ausschreibungstext gelesen und war gespannt, wie Zen hier eingebracht werden soll. Erschrocken musste ich feststellen, dass Zen hier nur als eine Umschreibung des Einfachen benutzt wird. Zen-Like sollen nur das normale Tageslicht und höchstens kleine Speedlights oder Video-Lichter genutzt werden. Auf schwere und große Lichtsets wolle man verzichten.
Ich habe mich im Laufe meines Lebens immer wieder mit dem Zen und dem Zen-Buddhismus auseinandergesetzt, habe auch Erfahrungen in der Zen-Meditation. Zen ist eine Sammlung des Geistes und eine tiefe Versunkenheit, eine mystische Erfahrung, die nur durch langjähriges Üben das Zazen, das Sitzen in Versunkenheit - die Meditation - erreicht oder vielleicht besser gesagt angestrebt werden kann. Leider ist diese Tiefe und dieses immerwährende Strebendas bei uns so wenig bekannt. Man kennt eher Zen-Gärten, die sogar immer mal wieder modern sind. Manche legen sie sich in ihrem kleinen Eigenheimgarten an, wissen aber meist nicht, dass auch deren Gestaltung meditativ angelegt ist. Mich ärgert sehr, wie hier eine tiefe menschliche und auch in irgendeiner Weise religöse Erfahrung als Modewort oder Modeerscheinung missbraucht wird.
Ähnliches habe ich leider auch immer wieder mit dem Begriff der Achtsamkeit erlebt. Letztendlich hat sie ihren Ursprung im Zen, auch wenn sie in Form, wie ich sie betreibe, von Religion unabhängig ist. Man muss kein Buddhist zu werden, um sich in der Achtsamkeit zu üben. Ich bin und bleibe Christ. Jon Kabat Zinn hat die Heilkraft der Meditation erkannt und Kurse entwickelt, um besser mit Stress, Angst und Krankheit umgehen zu können. Diese MBSR-Kurse werden inzwischen in vielen Ländern angeboten und sind auch wissenschaftlich begleitet und erforscht worden. Ich bin vor vielen Jahren durch einen solchen Kurs mit der Achtsamkeit in Kontakt gekommen und seit dieser Zeit lässt sie mich nicht mehr los. Ich meditiere täglich und habe schon mehrfach schwierige Lebenssituationen überstanden, die ich ansonsten nicht so leicht weggesteckt hätte. Es wäre für mich sehr positiv gewesen, wenn ich diese Hilfe schon viel früher kennengelernt hätte. So musste ich erst durch einen Burnout, um ihr zu begegnen. Sie verlangt täglich etwas von mir, sie gehört zu meinem Leben - ich brauche sie. Und sie wirkt in mein Leben und damit auch in meine Fotografie, wie ich schon mehrfach dargelegt habe.
Und genau deshalb ärgert es mich, wenn solche tiefe Erfahrungen wie Zen oder Achtsamkeit als Modeworte benutzt werden, um z. B. einen Fotokurs zu bewerben, der in Wirklichkeit absolut nichts damit zu tun hat. Wenn man genauer darauf achtet, fällt einem auf, wie oft der Begriff der Achtsamkeit in solch oberflächlicher Weise auch in anderen alltäglichen Zusammenhängen missbraucht wird.