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Henri Cartier-Bresson und der zen

"Fotografieren bedeutet Verstand, Auge und Herz auf eine Linie zu bringen. Es ist eine Art zu leben." Henri Cartier-Bresson

 

Ich habe heute in einer Biografie des großen Meisters gelesen. Seine Bilder faszinieren mich schon lange. Viele Bildbände habe ich mir immer wieder fasziniert angeschaut, aber mich bisher wenig mit seinem Leben und den Hintergründen seiner Bilder beschäftigt. Heute habe ich beim Lesen entdeckt, dass er eine konkrete Beziehung zum Zen hatte. Viele seiner Bilder haben auf mich schön seit Längerem fast meditativen Charakter, daher ist der Bezug zum Zen eigentlich nicht verwunderlich. Anstoß war für ihn neben längeren Aufenhalten in Asien, wo er auch mit den östlichen Religionen in Berührung kam, ein Geschenk von Georges Braque, das Buch "Zen in der Kunst des Bogenschießens" von Eugene Herrigel. Dieses Werk ist heute ein Klassiker der westlichen Zenliteratur. Wer sich aus westlicher Sicht mit dem Zen beschäftigt, kommt kaum an ihm vorbei. Herrigel beschreibt dort seinen Weg zum Bogenschießen, das er weniger als Technik sondern viel mehr als eine innere Einstellung dazu "trainierte" . In einem schwierigen, manchmal fast verzweifelnden Weg der Absichtslosigkeit lernt er wegzukommen von seinem eigenen Wollen und Streben. Die Verschmelzung von Bogen, Pfeil und Ziel und die dadurch erreichte Entfernung vom eigenen Ego, scheinen für ihn auf den Zen abzuzielen. In dieser Tiefe hat dieses Buch  auch Henri Cartier-Bresson inspiriert und - so wie es scheint - auch in vielem das bestätigt, was er sich fotografisch schon angeeignet hatte. Fotografieren heißt für ihn "den Atem anhalten, wenn sich angesichts der flüchtigen Wirklichkeit alle unsere Fähigkeiten vereinen."

Ich habe schon in jungen Jahren gelernt, beim Abdrücken des Auslösers den Atem anzuhalten, natürlich um Verwacklungen zu verhindern. Aber ist diese Atemanhalten beim Fotografieren nicht auch ein Innehalten im gegenwärtigen Moment, im Augenblick? Henri Cartier-Bresson wird ja immer wieder als Meister des Augenblicks bezeichnet, was er selbst nicht so gerne hörte. Er sprach lieber - fast abwertend - vom Fotoschuss.  Er liebt es Fotos zu schießen - ein Sprachgebrauch, wie wir ihn auch kennen. Seine Werke, wie konstruiert sie auch immer wieder erscheinen, entstehen oft als gleichzeitiges Erkennen der Situation und des Umfeldes im konkreten Augenblick. Er hat seinen Bildaufbau meist nicht vorher berechnet oder konstruiert, sein optisches oder besser fotografisches Unterbewusstsein hat das Motiv instinktiv erkannt. Natürlich lag er auch immer mal auf der Lauer an bestimmten, gut geeignet erscheinenden Orten, um dann auf den richtigen Schuss zu warten. Aber diesen auch so pointiert und genau zu setzen, das ist das Meisterliche. 

 

Ich erkenne in dieser kurzen Auseinandersetzung mit dem Zen bei Henri Cartier-Bresson und seiner großartigen Kunst viele Berührungspunkte mit meinem Weg der Verbindung von Fotografie und Achtsamkeit, ohne mich mit dem Meister messen zu wollen oder zu können. Mein Weg des Achtsamkeitstrainings hat mir aber auch das innere Auge geöffnet, lässt mich Motive erkennen, die ich vorher übersehen hätte. Sie hat auch meine Fotografie verändert und verändert sie immer noch. Das bleibt hoffentlich noch lange so, denn das macht das eigene fotografische Erleben so spannend. Für mich war es heute eine große und wichtige Erlebnis, ähnliche Erfahrungen bei Henri Cartier-Bresson zu erkennen.