· 

Falsche Erwartungshaltung

Vor einigen Wochen habe ich mir das Buch von Monika Andrae "Die sieben Todsünden der Fotografie" gekauft. Erwartet habe ich eine Sammlung von typischen schweren Fehlern beim Fotografieren. Als Pädagoge weiß ich, dass man sehr intensiv und gut aus Fehlern lernen kann und ging daher davon aus, dass ich hier auch ganz konkret und schnell für meine Fotografieren dazulernen kann. Aber so leicht machte es mir das Buch nicht. 

 

Die Autorin geht von den sieben traditionellen Todsünden der Katholischen Kirche aus: Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit. Meine Spannung ließ daraufhin erst einmal nach und das Buch landetet auf meinem Stapel der ungelesenen Bücher. Ich war eher skeptisch bzgl. des Zusammenhangs von Todsünden und Fotografie. In meinem vorletzten Blogbeitrag berichtete ich dann von dem Blog der Autorin, auf den ich zufällig gestoßen war. Hier wurde mein Interesse an dem Buch neu geweckt. Das Buch hat in mir viele Gedanken angeregt, die ich im Folgenden mit einer Buchbesprechung verknüpfen will. 

 

Monika Andrae hält in diesem Buch uns Fotografierenden einen Spiegel vor, der mich irgendwie an den Beichtspiegel aus meiner Kindheit erinnert. Die Katholiken unter uns werden das kennen. Man wird so sehr direkt auf Fehler und vergehen gestoßen. Sie zeigt und sie Laster, denen wir uns hingeben. Aber keine Angst, das Buch ist keine theologische Abhandlung, die nur für Katholiken verständlich ist. Jede bzw. jeder von uns wird sich an einigen Stellen wiedererkennen. 

 

Zum Hochmut habe ich auch schon einiges in meinem vorletzten Blogbeitrag geschrieben, wobei das Buch aber einen anderen Zugang liefert. Hier geht es besonders um den Schwerpunkt "Feedback geben", nicht nur festzustellen "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht". Man kann natürlich mit einem gewissen Hochmut Bilder recht schnell damit abtun. Die Autorin gibt hier eine sehr gute Anleitung zum Lesen eines Bildes und für eine engagierte Rückmeldung, ein richtiges Feedback an die jeweilige Fotografien, den jeweiligen Fotografen. Es geht aber auch um den Anfängergeist der Achtsamkeit, wieder einmal wie ein Anfänger mit der Kamera umzugehen, mal wieder bewusster auf Komposition und Licht zu achten und so auch Fehler zu erkennen, die sich im Laufe der Zeit bei mir eingeschlichen haben. Auch Routinen können meine Fotografie negativ beeinflussen und meine Kreativität einschränken, weil ich ja voller Hochmut davon ausgehe, dass ich ja alles sehr gut beherrsche. Sich mal konkret auf Abwege zu begeben, sich einmal ungewohnte Aufgaben beim Fotografieren zu stellen, sich neuen Motiven zu widmen, kann diesen Anfängergeist unterstützen. Wichtig sind - als Ratschlag von ihr - hier auch konkrete Aufzeichnungen über die Erfahrungen und die Ergebnisse. Kreativität kann so neu entdeckt werden. Fotografieren kann einen neue Spannung erfahren. Ich habe aus diesem Grund - und da erkenne ich mich hier auch wieder - ein Notizbuch in meiner Fototasche, auch um neue Ideen, die mir unterwegs kommen, festzuhalten. 

 

Ich will in dieser Buchbesprechung natürlich nicht das gesamte Buch vorstellen. Es macht Sinn, sich eine längere Zeit diesem Buch zu widmen und erst einmal jedes Kapitel, jede "Todsünde" für sich sacken zu lassen. Das Buch will und muss in uns arbeiten, es lässt sich schlecht in einem Zug durchlesen. Wenn man das machen würde, wäre das Ganze eher erfolglos. Das Buch braucht Zeit, dann kann es auch wirken und unsere Kreativität, unserer Fotografie anregen und auch positiv verändern.

 

Um noch etwas Anreiz zu wecken will ich aber noch auf die Darstellung einer weiteren Todsünde eingehen. Ausgewählt habe ich dazu die Völlerei. Traditionell gemeint ist damit übermäßiges Essen und Trinken, was ja auch wenig gesundheitsfördernd ist. Auch die Gier, das Haben-wollen, ist da sehr nah. Auf die Fotografie übertragen, bezieht sich das natürlich zuerst einmal auf die Ausrüstung. Was kaufen wir nicht alles zur Bedürfnisbefriedigung. Sobald eine neues Kameramodell herauskommt, wird das alte uninteressant - obwohl es weiterhin die gleichen - hoffentlich guten - Bilder macht und mich schon einige Zeit sehr zufrieden stellte, oder vielleicht sogar begeisterte. Vermutlich beherrscht man noch nicht einmal alle Möglichkeiten, die die Kamera bietet. Plötzlich ist man damit unzufrieden und die Bilder erscheinen auf einmal schlechter. Oder denke an die vielen Objektive, die man sich im Laufe der Zeit zugelegt hat, von denen aber einige meist im Schrank liegen - man könnte sie ja mal gebrauchen. Mir geht das nicht anders. Natürlich gibt es auch Fotografierende, die aus diesem Grund alles mit sich herumschleppen wollen, der Rucksack muss dann immer größer werden. Der Markt freut sich an dieser Völlerei. Monika Andrae empfiehlt hier das Reisen mit leichtem Gepäck, die Brennweitenlücke ensteht eher in in unserem Kopf als in der Realität. Mäßigung ist hier der passende Begriff. Völlerei kann aber auch heißen, alles und jedes fotografisch festzuhalten, eine andauernde Knipserei. Man könnte ja etwas verpassen. Mit der Unmenge von Bildern, die man dann mit nach Hause bringt, kann man dann meist wenig anfangen. Im besten Fall wird vieles sofort wieder gelöscht. Bewusstes Fotografieren, bewusstes Auswählen des Motivs ist hier angesagt. Mut zur Lücke! Auch der entscheidende Moment ist sehr wichtig für die Wirkung eines Bildes. Dazu gehört sehr viel Übung, auch die Achtsamkeit kann hier durch ihre Übungen sehr gut beitragen. Auch Bilder können Völlerei aufweisen, weil man auf einem Bild möglichst viel festhalten will, und das Bild dann regelrecht überladen wirkt. Oft wirken kleine Detailaufnahmen intensiver als große Übersichten. Weniger ist meist mehr. Monika Andrae fordert hier: "Räumen Sie ihr Bild auf!" Im Anschluss gibt sie dann eine ganze Reihe von sinnvollen Anregungen zu einer entsprechenden intensiven Bildgestaltung.

 

Denjenigen unter euch, die Interesse an einer Weiterentwicklung ihrer Fotografie haben und sich auch darauf einlassen wollen, kann ich diese Buch nur empfehlen. Ich habe bisher die beiden Kapitel "Hochmut" und Völlerei" durchgearbeitet und bin gespannt auf die weiteren "Todsünden" und vor allem darauf was die Überlegungen und Anregungen der Autorin in mir auslösen. 

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Heute gibt es auch einmal einen Hinweis zu dem ausgewählten Bild. Das Buch von Monika Andrae kann das Salz in unserer Fotografie sein. Es kann uns auch auftauen lassen wie das Streusalz auf der Straße. 

 

 

Und: Teilen freut mich!!!