Saul Leiter war ein amerikanischer Fotograf, 2013 mit 90 Jahren gestorben. Vor einigen Jahren gab es eine große Ausstellung seiner Bilder in Frankfurt, die ich leider verpasst habe. Jetzt konnte
ich einen Film über ihn sehen, der ein halbes Jahr vor seinem Tod entstanden ist. Leiter war ein kauziger Typ mit einem ansteckenden Lachen. Der Film "In No Great Hurry" besteht weitgehend aus
recht anstrengenden Monologen Leiters, aufgenommen in seinem leicht messiehaft wirkenden Atelier. Immer wieder zieht er dabei irgendwelche Schachteln aus gestapelten Türmen, pustet den Staub weg
und entdeckt darin Bilder, Negative oder auch vielleicht ein Stofftier. Mit dem Tod seiner Frau einige Jahre vorher hat er auch seine Ordnung verloren, und das kann man sehen! Einen kleinen
Einblick in den Film gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=J7arEQR8PdA
Dazwischen zeigt der Film aber auch Szenen aus seinem Alltag, so z. B. seine tägliche Runde durch sein Wohnviertel, wo er auf seine sehr direkte und eigentümliche Art auch immer wieder Straßenszenen oder Häuserdetails festhält. Einfach spannend! Über die DSVGO würde er nur lachen. Im Film sind aber auch immer wieder seine Bilder zu sehen, und die sind so eigen, so besonders und so faszinierend. Seine Farbfotografien haben mich besonders angesprochen, eigenwillige Schnitte, ein gekonntes Spiel mit den Farben und Formen, spannende Verfremdungen - einfach irre. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts war er als Fotograf sehr bekannt, später fast vollkommen vergessen. Er war sicherlich ein Pionier der Farbfotografie. Erst sehr spät wurde er wiederentdeckt. Ruhm und Ehre bedeuteten ihm aber auch nicht viel, zeitweise lebte er in sehr armen Verhältnissen. Seinem Atelier sieht man das im Film auch deutlich an.
Motiviert durch den Film wollte ich mich mit seinen Bildern intensiver auseinandersetzen, was aber gar nicht so einfach war. Gerade die Bücher mit seinen Farbfotografien waren vergriffen. Immerhin war eines vorbestellbar, allerdings ohne Angabe einer Lieferfrist. Aber oh Wunder, vor einigen Tagen habe ich es überraschend schnell erhalten. Dieses Werk "Early Colour" zeigt einen vorzüglichen Überblick seiner frühen Werke, entstanden ausschließlich auf seinen täglichen Runden durch sein Quartier. Die Vielfalt der Motive überrascht und überzeugt. Sein Vorgehen, seine täglich immer gleichen Runden haben alleine hat schon etwas Achtsames. Hier ist ein Link zu dem Buch: https://www.amazon.de/Early-Color-Saul-Leiter/dp/3865211399/ref=sr_1_4?s=books-intl-de&ie=UTF8&qid=1529425938&sr=1-4&keywords=saul+leiter.
Über ähnliche Erfahrungen meinerseits habe ich schon hier im Blog geschrieben ohne mich mit solch ein großen Meister messen zu wollen. Seine Art der Fotografie, sein Stil sind jetzt wieder ein
Ansporn, mich erneut an Alltäglichem im bekannten Umfeld zu versuchen, ohne Saul Leiter imitieren zu wollen, geschweige denn zu können. Wenn du dich mit einem echten Pionier der
Farbfotografie auseinandersetzen willst, wenn du eine weitgehend ungewöhnliche unkonventionelle Form der Farbfotografie kennen lernen willst, dann kann ich dir dieses Buch nur empfehlen. Es wird
dich auch in seinen Bann ziehen.