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Wim Wenders, Polaroid und ich

Zwei Wochen habt ihr noch Zeit, falls ihr in Berlin lebt oder in dieser Zeit hinkommt, um euch eine grandiose Ausstellung anzuschauen. "Wim Wenders, Sofortbilder" heißt der offizielle Titel dieser Präsentation im C/O Berlin direkt neben dem Bahnhof Zoo. Diese Ausstellung gibt es nur hier zu sehen.  Falls ihr es nicht schafft, habe ich unten einen Tipp für euch. Wim Wenders, den ich auch für seine Filme, wie z. B. den über Sebastiao Salgado sehr schätze, hat vor einigen Jahrzehnten sehr häufig die Sofortbildkamera  eingesetzt. So in seinem Roadmovie "Alice in den Städten", in dem der Protagonist mit einer Polaroid SX-70 über die Straßen der USA zieht. Zwar sind die Bilder auf ihre Art teilweise eher trivial, geben aber heute einen intensiven Eindruck in die USA zur damaligen Zeit. Die Polaroidkamera war dann aber auch sein  Begleiter auf zahlreichen Reisen durch die halbe Welt. Er nutzte sie oft als eine Art Tagebuch. Seine Polaroids zeigen ihn auch privat und zusammen mit prominenten Persönlichkeiten und  Freunden. Da gibt es so Einiges zu entdecken, wenn man genügend Zeit mitbringt. Viele dieser kleinen Originalbildern wollen sehr genau betrachtet werden. Ich habe mir die Zeit genommen, zumal es auch hervorragende Erklärungen und eine passende Filmsequenz gibt. Auch farblich sind die Räume sehr gut gestaltet. Man darf sich nur von den vielen Bilder nicht erschlagen lassen oder sie schnell abhaken wollen. Die ca. 240 Originale lohnen durchgängig, wenn man sich einmal in ihren Bann ziehen lässt. Es gibt auch einen Audioguide, aber ich habe darauf verzichtet. Ich wollte den Bildern mit meiner intensiven Achtsamkeit direkt begegnen und das ist mir auch gelungen.

Im C/O Berlin gibt des gleichzeitig eine zweite Ausstellung "Das PolaroidProjekt", die mich auch interessiert hat. Sie war aber eher enttäuschend. Etwas lieblos aufgemacht, mit nur wenigen Erklärungen blieben für mich doch etliche Fragen offen. Die Ausstellung will die Geschichte der Polaroidkameras und die künstlerische Arbeit mit ihnen zeigen. Beides gelingt in meinen Augen nicht so richtig. Bei den Polaroidkameras, die mit Entwicklungsmodellen und anderen Gegenständen in zwei Vitrinen gezeigt werden, war ich erst einmal ratlos - bis mir auffiel, dass die Erklärungstexte der beiden  Vitrinen, die auch noch in zwei verschiedenen Räumen aufgestellt waren, einfach vertauscht waren. Das löste dann die Rätselei. Mich wunderte nur, dass das noch niemandem aufgefallen war. Die Ausstellung lief immerhin schon seit einigen Wochen. Ich habe dann an der Kasse daraufhin gewiesen und sogar ein  Dankesschreiben vom C/O Berlin erhalten. Die zweite Zielrichtung der Ausstellung, der künstlerische Umgang mit der Kamera und den Originalbildern, hat sich mir auch nicht so recht erschlossen. Es gab sehr große Drucke von Polaroids mit überraschender Schärfe, deren Entstehung vollkommen im Dunkeln bleibt, mich aber brennend interessiert hätte. Es gibt auch Kopien von Polaroids, was dem grundlegenden Gedanken der Einmaligkeit widerspricht. Es fehlten einfach konkrete und hilfreiche Erklärungen. 

Das Ganze hatte aber dann immerhin den Vorteil, dass ich der Präsentation der Sofortbilder von Wim Wenders sehr viel Zeit widmen konnte. Doch immerhin habe ich erfahren, dass die Polaroid SX-70, die wohl bekannteste und genialste Polaroidkamera war und noch ist. Dass sie eine Spiegelreflexkamera ist, war mir auch völlig unbekannt. Denn genau diese Kamera hatte mein Schwiegervater, ein kleiner Technikfreak, dem ich schon einen eigenen Blogbeitrag gewidmet habe. Immer wieder überraschte er früher mit seinen Bildern und ihrer spannenden Entwicklung, die wir immer wieder ihn umringend bestaunten. Ich fand diese Kamera damals auch sehr interessant, aber als Student und Junglehrer war ich schon froh mir eine klassische und preiswerte russische Spiegelreflexkamera leisten zu können. Und Diafilme waren doch auch deutlich kostengünstiger als die Polaroid-Filmpacks. Die Schnelligkeit der Entwicklung der Polaroids war natürlich faszinierend, wenn man dagegen auf die Entwicklung eines Diafilms mindestens eine Woche warten musste. Das ist natürlich im heutigen Digitalzeitalter nicht mehr vorstellbar. Dennoch tauchen in den letzten Jahren immer mehr Sofortbildkameras auf dem Markt auf. Ich habe mich auch anstecken lassen, doch davon demnächst mehr!

Tipp: Von Wim Wenders gibt es auch ein Buch mit seinen Polaroids und den Geschichten: https://www.amazon.de/dp/3829608160/ref=cm_sw_r_cp_apa_wY.LBbM6NYV35
Dieses Buch habe ich mir sogar zusätzlich zur Ausstellung gegönnt. Es ist in meinen Augen jeden Cent wert.