Gestern Abend war ich in Fulda bei einem Konzert von Konstantin Wecker. In einem seiner Songs heißt es: "Was du auch siehst, ist nur gefror'nes Licht!"
(https://www.youtube.com/watch?v=BCi3s9-w9aE). Dieses Lied ist Hans-Peter Dürr gewidmet, einem recht bekannten Quantenphysiker, dem es ein Anliegen war, die
Erkenntnisse der Physik allgemein verständlich zumachen - was gelinde gesagt nicht einfach ist. Mit einigen anderen Physikern vertritt er die These, dass es eigentlich keine Materie gibt.
Spätestens seit dem Bekanntwerden der Elementarteilchen, ist auch klar, dass Materie zumindest nicht das Massive ist, was wir landläufig darunter verstehen. Schon Ernest Rutherford stellte Anfang
des 20.Jahrhunderts in seinen Versuchen fest, dass es in der Materie viel Leerraum gibt (https://www.leifiphysik.de/atomphysik/klassische-atommodelle/versuche/rutherford-experiment). Vielleicht kennt ihr diesen Versuch ja
noch aus eurer Schulzeit.
Hans-Peter Dürr erklärte die Theorie der Quantenphysik gegenüber naturwissenschaftlich
unkundigen Konstantin Wecker mit dem schon oben zitierten Satz: Was du auch siehst, ist nur gefror'nes Licht!" Aber auch diese Aussage, so poetisch sie klingt, ist beim Durchdenken eher
schockierend und ohne grundlegende Kenntnisse der Quantenphysik kaum nachvollziehbar. Dennoch hat Konstantin Wecker mit diesem Song wieder einmal etwas Beeindruckendes
geschrieben.
Insgesamt ist Wecker in seinem aktuellen Konzert deutlich ruhiger geworden, er ist ja
inzwischen auch 72. Dennoch blitzt immer wieder der aufrührerische und gleichzeitig nachdenklich machende Schalk durch. Er präsentiert neben zahlreichen meist bekannten Liedern auch einiges aus
seiner Autobiografie und seinen poetischen Werken, erinnert sich sehr positiv an seinen Vater, führt aber einige seiner Eskapaden bis hin zum Knast auf - über die er heute mit einer gewissen
Altersweisheit schmunzeln kann. Meist wird er bei seinen Songs vom genialen Jo Barnickel begleitet. Die stärksten Momente hat das Konzert aber bei den Liedern, zu denen er sich selbst auf dem
Flügel begleitet, den er übrigens ausdrücklich lobt: "Ihr glaubt gar nicht, was wir da schon alles erlebt haben!". Dass er sein Publikum liebt, ist ja schon bekannt - so lässt er sich auch bei
den Zugaben nicht lumpen. Das Konzert war mal wieder ein echtes Highlight.
Was
ich besonders in mir mitgenommen habe, war aber der Song "Gefrorenes Licht". Ich kannte ihn zwar schon, aber nicht die näheren Umstände seiner Entstehung. Bisher war es ein schönes Lied, jetzt
hatte es für mich eine tiefere Bedeutung. Schon während des Konzertes stellte ich mir die Frage, ist die Fotografie nicht auch gefrorenes Licht. Das Wort Fotografie selbst stammt aus dem
Griechischen und bedeutet auf deutsch: Malen mit Licht. Wir halten - früher auf dem Film - heute auf dem Sensor das einfallende Licht fest, wir frieren es eigentlich im fotografierten Zeitpunkt
ein.
Bewusst geworden ist mir das schon bei den Fürstenecker Fototagen (s. vorhergehenden Blogbeitrag), wo ich u. a. den Kurs "Die Zeit als Gestaltungsmoment" belegt hatte. Hier ging es z. B. darum
Geschwindigkeit einzufrieren: vorbeifahrende Autos oder Ulrike auf Inlinern oder Lars mit dem Roller so festzuhalten, dass man sie zwar erkennt, aber auch die Geschwindigkeit, mit der sie
unterwegs waren. Insgesamt war das ein recht schwieriges Unterfangen, selten habe ich nach einem Shooting so viele Bilder gelöscht. Aber die wenigen einigermaßen gelungenen Ergebnisse erfreuen
mich da umso mehr. Seit gestern Abend ist mir allerdings jetzt stärker bewusst, dass ich dabei nicht nur Geschwindigkeit, sondern auch Licht "einfriere".
Der Song von Konstantin Wecker hat auch meine Ehrfurcht vor der Fotografie wieder wachsen lassen, was ja leider in der heutigen Flut von Bildern leider sooft verloren geht. Zu analogen
Zeiten war jedes Bild im wahrsten Sinne noch etwas wert, ich habe mir damals schon vor jedem Drücken des Auslösers überlegt, ob sich das Bild wirklich lohnt.
Spannend war gestern Abend und auch heute den Tag über für mich wie Erkenntnisse der Quantenphysik - angestoßen durch einen Song - in mir Gedanken über die oder besser meine Fotografie auslösten.
Ich wünsche dir auch immer mal wieder ein ähnliches Innehalten und Nachdenken vor dem fotografischen Einfrieren von Licht.