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Die Eule und das Abendlicht

Was sich anhört wie die Überschrift einer alten Fabel, ist eine Erfahrung, die ich gestern mal wieder gemacht habe. Am späten Nachmittag bin ich eigentlich zu einem kleinen Spaziergang von ca. 30 Minuten aufgebrochen, mehr habe ich meiner neuen Hüfte bisher kaum zugemutet. Spätestens dann stellte sich aufgrund von Schmerzen auch ein weniger sinnvolles Hinken ein. Ich ging mal wieder zu "meinem" Baum (https://fotografie-und-achtsamkeit.jimdofree.com/2019/03/13/mein-freund-der-baum/), den ich schon länger nicht mehr besucht hatte. Fotografisch habe ich ihn umrundet, auch gebannt durch seinen langen Schatten durch die doch schon recht tiefstehende Sonne. 


Statt aber dann in einer kleinen Runde zurückgehen, trieb es mich weiter den Berg hinauf in den Wald. Lange war ich schon nicht mehr dort, hinderten mich doch schon vor der Hüft-OP die Schmerzen daran. Dennoch war mir der Wald sofort wieder vertraut, schließlich war das viele Jahre meine regelmäßige Joggingstrecke. Jede Kurve, jede Steigung, jedes Gefälle, jeden Abzweig kenne ich sehr genau. An mehreren Abzweigen überlegte ich abzukürzen, um schneller wieder nach Hause zu kommen, aber etwas in mir trieb mich weiter - und die neue Hüfte machte auch gut mit.

Letztendlich strebte ich innerlich das Ziel meiner früheren Joggingtouren an, Schloss Bieberstein. Dieses frühere Jagdschloss der Fuldaer Fürstbischöfe war immer der Wendepunkt meiner Laufrunden. Heute beherbergt es eine Internatsschule für Kinder wohlbetuchter Eltern. Gestern allerdings strahlte es lediglich einsame Stille aus.

Auf Hinweg begleitete mich die Sonne im noch lichten Wald. Viele Motive boten sich mir, gestapelte Holzstämme, deren Schnittstellen sich gerade der Sonne entgegenstreckten und die Jahresringe, aber auch deutliche Schäden erkennen ließen. Lichtes Grün im Gegenlicht, von der Sonne einseitig bestrahlt alte Buchenstämme, der blaue Himmel über allem ... . Nach längerer fotografischer Abstinenz konnte ich mich mal wieder richtig austoben. Da ich ganz alleine war, hatte das Ganze auch irgendwie einen meditativen und achtsamer Touch, der mich auch immer weitergehen ließ, eine Art von achtsamem Gehen.

Am Wendepunkt ging's dann eine Weile durch schattigen Wald, Temperatur und Licht veränderten sich schlagartig. Der Spaß am Fotografieren ging sofort gegen Null. Allmählich drang dann aber doch vorsichtig die Sonne wieder durch, direkt über dem Boden zwischen den engen Baumstämmen durch. Ich spielte sofort mit der Blende, zwischen 1.4 und 16 ergaben sich vom gleichen Standpunkt ganz unterschiedliche Lichtszenarien, spannend - spannend!

 

Die tiefstehende Sonne gewann dann auf dem weiteren Weg wieder etwas mehr Höhe, ließ aber dennoch den Wald in einem anderen Licht erscheinen als auf dem Hinweg. Die größte Überraschung erlebte ich aber dann bei "meinem" Baum, den gerade die letzten Sonnenstrahlen in rötlichem Licht erscheinen ließen. So hatte ich ihn noch nie gesehen, es war einfach wunderschön, ich konnte kaum aufhören mit dem Fotografieren.

So endete ein kleiner Spaziergang in einer zumindest für mich nach der Hüft-OP größeren Wanderung von rund eineinhalb Stunden. Und was hat es mit der Eule aus der Überschrift auf sich? Ganz einfach: ich bin eine. Mein Motto ist schon: Der frühe Vogel kann mich mal. Frühes Aufstehen war mir schon immer ein Gräuel. Ich habe, soweit ich mich erinnern kann kaum einen Sonnenaufgang fotografiert, aber schon sehr viele Sonnenuntergänge. Das fotografische Spielen mit dem wunderschönen Abendlicht hat mir als Eule gestern wieder sehr viel Spaß gemacht und war gleichzeitig ein sehr achtsames Erlebnis auch in diesen nicht einfachen Zeiten.