Seit Wochen findet mein fotografischer
Ausgang fast nur im Wald vor meiner Haustür statt. Irgendwie habe ich allmählich das Gefühl jeden einzelnen Baum zu kennen. Die Notwendigkeit der engen Beschränkung sehe ich natürlich ein und
kann auch momentan gut damit leben. Fotografisch ist das junge Grün im Wald aber irgendwann erschöpft.
Am Montag hatte ich einen wichtigen Arzttermin in Fulda und habe mich
entschlossen anschließend eine Stadtrunde durch die Altstadt - natürlich mit dem notwendigen Abstand zu den Mitmenschen - zu drehen. Dabei hatte ich meine Kamera mit dem 35er 1.4, als Aufgabe
hatte ich mir vorgenommen durch Offenblende bekannte Gebäude in der Unschärfe mit einem scharfen Vordergrund zu fotografieren und habe das auch so durchgezogen, spannend war inwieweit man die
Gebäude dann noch erkennen kann. Irgendwie kam mir dabei der Verfremdungseffekt von Bert Brecht in den Sinn, mit dem ich mich vor dem Abi sehr intensiv beschäftigt hatte, und der mich
fotografisch oft noch prägt. Dazu passt auch gut meine zweite eigentlich immer vorhanden Idee, die Suche nach Spiegelungen
verschiedenster Art, die auch wieder mal mitschwang.
Begonnen habe ich am schönen barocken Dom, da ich auf dem Platz nebenan geparkt hatte. Auf dem ansonsten gut gefüllten Parkplatz standen gerade mal zwei Autos,
entsprechend war es in der Stadt auch relativ leer, obwohl die kleineren Geschäfte erstmals wieder geöffnet hatten. Kleine Menschenschlangen mit Abstand habe ich nur vor zwei Eiscafés und vor dem
einzigartigen Knopfladen gesehen. Ansonsten standen etliche Ladeninhaberinnen und Ladeninhaber vor ihren Geschäften und warteten auf Kundschaft. Ich war nirgends drinnen, das brauche ich zurzeit
auch nicht.
Jetzt wieder zu meiner Runde, der Dom war gerade vom Domdechaneigarten mit seinen Exponaten als Vordergrund ein gutes Motiv. Weiter ging's durch die Altstadt am
Hexenturm und am Geburtshaus von Ferdinand Braun, dem Erfinder der Braunschen Röhre, vorbei in Richtung Gemüsemarkt, rückblickend sieht man immer wieder sehr schön den Dom und den Hexenturm, auch
hier sind einige Bilder entstanden, unter anderem auch das heutige schon etwas extreme Bild, dessen Schärfebereich nur auf der Mauer im Vordergrund links liegt, die Domkuppel ist dennoch am Ende
der Kanalstrasse im Hintergrund zu erahnen. Mir gefällt diese Variante, auf eure Kommentare bin ich gespannt.
Am hässlich modernisierten Marktplatz – ich trauere dem alten Gemüsemarkt immer noch nach -vorbei ging die Runde in der Altstadt durchs sogenannte Bermudaviertel
weiter, der Name erklärt sich durch die vielen dort ansässigen - derzeit aber geschlossenen - Kneipen.
Nach einem Blick in die Gasse, in der früher der Scharfrichter wohnte, laufe ich über die Karlstrasse zum Buttermarkt mit seinen schönen alten Häusern und dem
herrlichen Blick durch die Marktstrasse hin zur Stadtpfarrkirche. Hier gibt es viele Schaufenster, in denen ich gute Spiegelungen entdeckte, die ich natürlich auch fotografierte.
Schaufensterspiegelungen haben oft etwas schön Surreales, weil sie das Innen und Aussen , die Spieglung und den Einblick in den Laden verknüpfen und oft recht rätselhaft wirken können. Auch das
enge Poussiergässchen reizte mal wieder fotografisch.
Durch den Steinweg kam ich dann zum schönen Alten Rathaus mit seinen vielen kleinen Türmen und zu der mächtigen Stadtpfarrkirche. Über die Friedrichstraße und am
Schloss vorbei gelangte ich in den Schlossgarten, hier hatte ich die herrliche Orangerie als das markante Gebäude für meine Aufgabenstellung mit Schärfe und Unschärfe vorgesehen, zuerst vom
oberen Parkteil mit einem Januskopf als Vordergrund, dann von unten mit der großen Fontäne bzw. ihrem Wasserschleier im Schärfebereich.
Am Ausgang des Parks bot sich dann das Gitter des Tores als Vordergrund an wieder mit dem Dom im Unschärfebereich, von der anderen Seite des Tores war‘s dann die
große Fontäne im Park. Die Pauluspromende mit dem barocken Paulustor erwischte ich endlich mal autofrei, auch hier boten sich verschiedene Vordergründe für den Schärfebereich an. An der alten ottonischen Michaelskirche vorbei kam ich nach knapp zwei
Stunden wieder zum Parkplatz am Dom mit einer schönen Spiegelung der Michaelskirche und der theologischen Fakultät im hinteren Stoßfänger meines Autos zusammen mit einem verzerrten, aber
wirkungsvollen Selfie.
Ich hoffe meine kleine Runde durch die schöne Altstadt von Fulda mit einer für mich interessanten Aufgabenstellung und den zusätzlichen Spiegelfotos, die ich immer
wieder gerne mache, hat gefallen und vielleicht auch angeregt - aber bitte mit dem notwendigen Abstand!