Keine Angst, ich möchte nicht auf die Hitzeprobleme der neuen Canon R6 anspielen.
Kochen ist hier mehr bildhaft gemeint. Wie beim Kochen gelten bei der Fotografie gewisse Regeln bzw. Tipps wie "Vordergrund macht Bild gesund" oder "Zwischen elf und drei hat der Fotograf frei",
wobei der Tipp doch inzwischen gegendert werden müsste. Wichtig ist für den Bildaufbau auch die Drittelregel, die man nach Betrachtung einiger Beispiele auch sehr schnell nachvollziehen
kann. Natürlich kann man auch gegen solche Regeln verstoßen, manchmal glückt das Ergebnis dennoch oder vielleicht auch gerade wegen des Verstoßes. Beim konkreten Kochen ist durch solche Verstöße
auch immer mal Neues entdeckt worden. Sicherlich gab und gibt es dann aber auch viel Ungenießbares.
Rezepte bzw. deren genaue Einhaltung versprechen dagegen wirkliches Gelingen beim Kochen, diese Rezepte sind in der Regel sehr gut erprobt und daher gerade bei Anfängerinnen und Anfänger sehr
beliebt. Gibt es solche Rezepte auch für das Fotografieren? Eine Reihe von Büchern versprechen das wie z. B. "Porträt-Rezepte bei natürlichem Licht" von Scott Kelby oder "22 JPEG-Rezepte für
Fujifilm-X-Kameras von Thomas B. Jones.
Dieses Buch mit den Fuji Rezepten habe ich mir zwar schon vor einiger Zeit gekauft, aber dann nach interessierten Durchblättern doch wieder auf die Seite gelegt. JPEGs gelten ja allgemeinhin als
minderwertig gegenüber den RAWs, die mit Lightroom o. ä. erst am PC entwickelt werden und denen durch geschicktes Anwenden der Software noch vieles entlockt bzw. bei denen auch noch einiges, was
beim Fotografieren nicht sauber beachtet wurde, sehr gut korrigiert werden kann.
Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viel fotografiert (wie immer JPEG und RAW gleichzeitig) und komme derzeit beim Entwickeln der RAWs in Lightroom nicht so recht nach. Da sind noch die
Bilder aus dem Urlaub im Juni in SPO, von einem Wochenendbesuch in meiner alten Heimatstadt Worms, die Rhönbilder von etlichen Wanderungen in den letzten Wochen, Bilder von einem 65.
Geburtstag und viele Familienbilder, vor allem von unseren Enkelkindern. Das eine oder andere dieser Enkelkind-Bilder habe ich "wenigstens" in der JPEG-Variante schon mal an unsere Töchter und
Schwiegersöhne weitergeleitet, aber immer mit dem Hintergedanken aus dem entsprechenden RAW ein noch besseres Bild zu entwickeln. Immerhin haben die gespeicherten JPEGs hier wenigstens ein wenig
Sinn gemacht.
Warum hat aber das JPEG diesen schlechten Ruf, schließlich hat es doch einiges mit dem in der analogen Fotografie entwickelten Bild gemein. Zu analogen Zeiten konnte ich mir mit dem Film
wählen, welchen Bildlook ich haben wollte. Agfa, Kodak und Fujifilm waren da sehr unterschiedlich und boten außerdem jeder auch noch mehrere verschiedene Filme an. Entscheiden konnte ich auch
zwischen Farbe und SW. Die jeweilige ISO konnte ich auch noch wählen. Diese Entscheidungen galten dann aber für den gesamten Film. Wer eine eigene Dunkelkammer hatte, konnte vielleicht beim
Entwickeln noch einiges beeinflussen, dieses Glück hatte ich aber nie. Ich musste das nehmen, was mir das Labor lieferte. Folglich war mein Ansporn der, schon beim Fotografieren so exakt
wie möglich zu arbeiten, sowohl bei den technischen Gegebenheiten als auch bei der Bildgestaltung.
Ist das aber nicht bei den JPEGs nicht sehr ähnlich, die Kamera entwickelt eine digitale Datei, das RAW, zu einem Bild, das ich sogar durch gewisse Vorgaben in der Kamera, je nach Kameratyp, auch
noch etwas beeinflussen kann. Bei meiner Fuji kann ich einen Filmlook wählen und auch noch einige weitere Parameter vorgeben. Das ist doch sogar schon mehr als beim analogen Film, zumal ich bei
jedem Bild andere Vorgaben setzen kann.
Mich bringt das nach einigem Überlegen während einer mal wieder heftigen Kopfschmerzattacke zu der Erkenntnis, in nächster Zeit den JPEGs wieder mehr Wertschätzung zu verleihen. Bisher lasse ich
sie zwar abspeichern, verschwende damit auch Speicherplatz, nutze sie aber kaum. Für mich heißt das jetzt, das Motiv noch genauer in den Blick zu nehmen, möglichst exakt zu belichten und
den Bildaufbau sehr sorgfältig zu planen. Auch der Bildlook bzw. die Entscheidung zwischen SW und Farbe ist dann im Vorfeld zu treffen und nicht vielleicht erst durch umständliches Auszuprobieren
in Lightroom. Gerade ein bewusstes Entscheiden für SW bedeutet dann auch eine genauere Motivanalyse. Insgesamt verspreche ich mir davon ein noch bewussteres und noch achtsameres
Fotografieren. Ich werde jetzt auch in der nächsten Zeit einige der "22 JPEG-Rezepte aus dem Buch von Thomas B. Jones ausprobieren und ein wenig damit "kochen". Thomas ist übrigens einer der
beiden Photologen, deren Podcast (https://www.photologen.de/) ich sehr gerne und inzwischen fast
regelmäßig höre. Mein Ziel ist, dass möglichst viele Bilder praktisch fertig aus der Kamera kommen - wohl wissend, dass die Kamera natürlich auch eine Bearbeitung vorgenommen hat, die ich aber in
gewissem Maße beeinflussen kann.
Die Achtsamkeit kann dabei eigentlich nur gewinnen. Die gewonnene Zeit, weil ich ja dann nicht mehr so endlos lange zum Entwickeln am PC arbeiten muss, kann ich für noch mehr
achtsames Fotografieren oder natürlich auch für andere spannende Aktivitäten verwenden.
Natürlich wird es immer wieder Motive bzw. Bilder geben, bei denen ein Entwickeln aus dem RAW einfach sinnvoll ist, weil so z. B. das Bild deutlich mehr Dynamik erhält, weil der Weißabgleich
nicht stimmt oder weil ich aus den Schatten doch noch etwas mehr herausholen will.
Ich werde sicherlich wie bisher parallel JPEG und RAW abspeichern lassen, das jeweilige JPEG aber auch öfter als das eigentliche Bild verwenden können. Die RAWs werde ich nur noch
entwickeln, wenn ich aus einem Bild deutlich mehr herausholen will, oder weil ich vielleicht wirklich etwas korrigieren muss, weil ich im JPEG einen Fehler erkannt habe.
Diese Entscheidung für das JPEG erinnert mich an mein analoges Fotografieren, verlangt von mir exakteres Arbeiten und ist für mich gleichzeitig auch eine Entscheidung für die oder besser für
mehr Achtsamkeit. Natürlich werde ich mit den JPEG-Rezepten und den Möglichkeiten meiner Fuji noch etwas weiter experimentieren und vielleicht auch neue Rezepte entwickeln. Von meinen
Erfahrungen werde ich hier auch immer mal berichten. #ishootjpeg
P.S.: Das heutige Bild ist ein JPEG direkt aus meiner Fuji, die gewählte Filmeinstellung war "Provia/Standard". Gerade mit den Provia-Filmen habe ich früher sehr gerne analog fotografiert. Farblich hat mich dieses Bild ein wenig an Flammen und damit auch an das Kochen erinnert.