Diese Einwort-Frage habe ich auf einem alten Grabstein im Berliner Leisepark
entdeckt. Sie ist mir regelrecht ins Auge gesprungen, obwohl der Grabstein zwischen Bäumen eingewachsen war. Der Leisepark in Berlin ist ein sehr ungewöhnlicher Park, zwar kenne ich auch aus
anderen Städten Parks, die auf ehemaligen Friedhöfen angelegt wurden, dann sind sie allerdings in der Regel sehr gepflegt. In Berlin hat man dagegen bewusst der Natur freien Lauf gelassen, was zu
einem sehr urwüchsigen fast dschungelartigen Wachstum geführt hat. Lediglich die Wege und Trampelpfade werden freigeschnitten. In kleinen Lichtungen stehen vereinzelt Spielgeräte, und an den
wenigen Hauptwegen auch eine Reihe von Ruhebänken. Zahlreiche zahme Eichhörnchen wollen dort gefüttert werden. Insgesamt ein eher ruhiger Park, dem von Schülerinnen und Schülern einer
benachbarten Schule daher der Name "Leisepark" gegeben wurde. Von außen ist die lange Friedhofsmauer - typisch Berlin - mit bunten Graffitis bemalt und macht so zumindest auf mich einen
freundlichen Eindruck.
Neben dem am Anfang erwähnten Grabstein finden sich bei genauerem Suchen
noch weitere, z. B. einige alte Kindergrabsteine, deren oft längeren Inschriften auch ganz schön zu denken geben. Reste von Grabsteinen und Grabumrandungen wurden zu einem kleinen Hindernisweg
genutzt, anfänglich hat mich das irritiert, aber eigentlich ist es ja eine sinnvolle Wiederverwendung. Der Park gibt so eine ganze Reihe von Fotomotiven her, die mystische Stille in nachdenklich
machender Umgebung, und das mitten im trubeligen Prenzlauer Berg, nahe an der sehr lebhaften Greifswalder Straße. Das wirkt!
Bevor ich zu weiteren fotografischen Überlegungen komme, will ich doch
noch einmal auf die Frage "Warum?" eingehen. Ich weiß nicht welches schwere Schicksal hinter dieser Frage auf dem Grabstein steht, dennoch hat sie mich im ersten Moment erschüttert. Beim
weiteren Nachdenken darüber wurde mir aber auch die vielfältige Bedeutung dieser Frage bewusst.
Bei Kindern dient "Warum?" der Befriedigung ihrer Neugier, Kinder
können einem damit fast ein Loch in den Bauch fragen, wie man so schön sagt. Aber auch Forscherinnen und Forscher treibt diese Frage an, ich habe ja selbst Chemie und auch ein wenig Physik
studiert und kenne diesen Forscherdrang daher recht gut. Beides hat sehr viel mit dem Anfängergeist zu tun, der für die Achtsamkeit so wichtig ist und über den ich in diesem Blog schon
mehrfach geschrieben hat.
Aber auch wir stellen diese Frage immer wieder in unserem Leben, meist
eher bei schweren Krankheiten, Tod oder anderen Schicksalsschlägen und müssen dann oft feststellen, dass es keine Antwort darauf gibt. Ich habe diese Frage in der Vergangenheit auch
schon mehrfach gestellt ohne eine Antwort zu finden. Seit ich mich aber in der Achtsamkeit übe, taucht die Frage doch seltener auf, weil Achtsamkeit hilft den jeweiligen Moment so zu nehmen
wie er ist. Gerade bei meiner schweren Infektion mit einem multiresistenten Keim vor einigen Jahren, wo doch so einiges auf der Kippe stand, konnte ich diese Erfahrung sehr deutlich machen und
bin sehr dankbar dafür.
Immer wieder stellt sich die Frage nach dem "Warum?" auch direkt in
religiöser bzw. theologischer Sicht: "Warum lässt Gott das zu?" Sowohl aus persönlicher direkter Betroffenheit wie vermutlich auf dem Grabstein, aber auch auf umfangreicheres Geschehen wie z. B.
der Antisemitismus im Naziregime, der zu der brutalen Vernichtung der Juden in KZ führte. Solche Fragen sind nur schwer beantwortbar. Auch die schweren Missbrauchsgeschehen innerhalb des
Klerus, von denen fast tagtäglich immer mehr ans Tageslicht kommt, und mit denen sich die Amtskirche leider immer noch so schwer tut, sind nicht zu verstehen. Dennoch frage ich mich: Können
wir aus unserer kleinen und engen menschlicher Sicht hier das Vorgehen Gottes bzw. das fehlende Eingreifen Gottes erklären?
Ich war viele Jahre katholischer Religionslehrer, habe dazu auch
Theologie studiert und mich natürlich auch immer wieder mit dieser sogenannten Theodizeefrage auseinandergesetzt. Für mich wird Gott verständlicher, wenn ich von der
grundsätzlichen freien Entscheidung jedes Menschen ausgehe, die Gott uns geschenkt hat. Dann ist es ja auch folgerichtig, dass Gott auch nicht eingreift, auch wenn das oft so schwer zu verstehen
ist. Jeder Mensch ist für sein Tun dann auch verantwortlich. Trotz aller schweren Vorkommnisse bin ich dafür doch sehr dankbar, da ich ungern eine Marionette eines "höheren Wesen" sein
möchte, was auch mit meinem "Gottesbild" nur schwer in Einklang zu bringen wäre. Natürlich könnte ich zu dieser Problematik noch wesentlich mehr in die Tiefe gehen, aber das würde die
Zielrichtung dieses Blogs sprengen.
"Warum habe ich heute diese Freude?" So beginnt ein Song der
multikulturellen und internationalen christlichen Band Gen Rosso aus den Siebzigern. Vor kurzem bin ich wieder mal darauf gestoßen, seitdem ist er ein regelrechter Ohrwurm für mich. Auch aus
achtsamer Sicht ist das doch eine wichtige Frage, die dazu anregt bewusst auch das Schöne, Positive, die Freude im oft so tristen Alltag wahrzunehmen. So immer wieder die kleinen positiven
Dinge zu erkennen und sich nicht von dem vielen negativen erdrücken lassen, ist so wichtig für unser Leben, und auch das ist Achtsamkeit.
Mit einem gewaltigen Sprung komme ich jetzt zur Fotografie zurück, hier
liegt für mich die Frage nahe: "Warum fotografiere ich eigentlich?". Hast du dir diese Frage auch schon mal gestellt? Dann wäre ich für deine Antwort dankbar, entweder über das
Kontaktformular oder per Mail (wilfried.humann@gmx.de). Ich würde dann gerne in einem weiteren
Blogbeitrag auf eure Antworten eingehen und natürlich auch meine Antwort auf diese Frage geben. Viele Rückmeldungen wäre für mich sehr erfreulich, schreibt daher bitte!!! Ich bin sehr
gespannt!