· 

Memoiren

... schreibe ich keine! Wer würde die auch lesen wollen? Dennoch kam mir heute irgendwie der Gedanke, vermutlich weil etliche A-B-C oder auch D-Promis in den letzten Wochen, welche vorgestellt haben. Vielleicht hatten die wegen Corona zu viel freie Zeit oder wollen so wenigstens noch etwas abkassieren. 

Ich überlegte heute Nachmittag, wie weit ich mich in meiner Kindheit zurück erinnern kann und ging dann weiter in die Jugend. Meine am weitesten zurückliegende Erinnerung geht bis in den Kindergarten. Dort wurde gelegentlich als Attraktion eine Rutschbahn in der Eingangshalle aufgebaut, und ich hatte riesige Angst, die Leiter hochzuklettern. Leitern mag ich bis heute nicht. Warum ich mich genau daran erinnere, erklärt sich für mich darin, dass es ein Gruppenbild mit genau dieser Rutsche gibt. Ich weiß noch genau, dass ich mich eigentlich ganz oben auf die Leiter stellen und für das Bild über die Rutschbahn hinweg schauen sollte. Ich wurde dazu "auserwählt", weil ich einer der "Größten" war. Ich brach damals in Tränen aus und durfte zum Glück für das Bild unten bleiben.

So erfolgen auch meine weiteren Erinnerungen an Kindheit und Jugend, ich erinnere mich in Bildern, sowohl in realen Fotos als auch in Bildern in meiner Erinnerung. Alles verbindet sich mit Bildern. Ich war in meiner Kindheit und Jugend sehr gerne mit meinem Opa zusammen, den ich in seiner ruhigen und besonnenen Art sehr geschätzt habe, vielleicht kommen von ihm auch meine Ambitionen bzgl. der Achtsamkeit. Er war Winzer mit einigen eigenen Weinbergen und Küster in unserer Kirchengemeinde, ich habe ihm gerne im Weinberg und im Weinkeller geholfen. Da er unter Asthma litt, die Weinfässer aber zur Desinfektion ausgeschwefelt werden mussten, war das schon in früher Jugend meist meine Aufgabe. Brennende Schwefelspäne in die Fässer zu hängen, damit wurde vermutlich dann auch der Grundstock zu meinem späteren Chemiestudium gelegt. Aber auch in der Kirche habe ich ihm sehr viel geholfen, beim Vor-und Nachbereiten der Gottesdienste. Ich war mit allen Küsterarbeiten so gut vertraut, dass ich dann später, als mein Opa nicht mehr konnte, seinen Nachfolger angelernt habe. Von all diesen Tätigkeiten gibt es kaum reale Bilder,  aber sehr viele Bilder im Kopf, gerade jetzt auch wieder beim Schreiben dieses Textes.

In der Jugend so mit ca. 15 Jahren habe ich auch angefangen zu fotografieren, zwar noch mit einer ganz einfachen Kamera,  aber es existieren noch recht viele Bilder aus dieser Zeit. Mit 20, als junger Student, habe ich mir dann meine erste Spiegelreflexkamera zugelegt, ein einfaches und vollkommen manuell zu bedienendes Gerät aus russischer Herkunft mit einem 50mm Objektiv gleicher Provenienz. Beide besitze ich heute noch. Damit habe ich sehr viel und auch aus Geldmangel sehr lange fotografiert und die analoge Technik so von Grund auf autodidaktisch gelernt. Wenn ich mir heute - mit dem Abstand etlicher Jahrzehnte - diese Bilder wieder mal anschaue, kommen sehr viele Erinnerungen, und ich kann fast jedes Bild auch noch genau einordnen, wo und in welchem Zusammenhang es gemacht wurde.

Mein Erinnern erfolgt sehr intensiv in Bildern, wie schon gesagt sowohl in realen als auch virtuellen. Und genau das ist der Grund, dass ich nicht wochen- und monatelang in meine Vergangenheit eintauchen will, um meine Memoiren zu schreiben. Ich will lieber auch der Achtsamkeit gemäß in der Gegenwart bleibe und weiter fotografieren. Meine Geschichte lebt in Bildern und nicht in Text.

Das heutige Bild hat auch viel damit zu tun. Es ist vor wenigen Wochen in Berlin kurz vor der Abfahrt im Hauptbahnhof entstanden. Mehr zu diesem Berlinbesuch gibt's hier: https://fotografie-und-achtsamkeit.jimdofree.com/2020/10/04/fotowalk-oder-spielplatz/. Berlin ist die Großstadt, in der ich in meinem Leben am häufigsten war: Mein erster Besuch erfolgte zum Katholikentag 1980, dann mehrfach beruflich mit Schulklassen - auch noch vor der Wende -, immer auch wieder mal privat. Seit rund 10 Jahren oft mehrfach im Jahr, weil meine jüngste Tochter mit Familie dort lebt.  Ich fühle mich in Berlin mit seinen so  unterschiedlichen Stadtteilen immer sehr wohl, kenne mich inzwischen auch sehr gut aus. Es zieht mich auch immer wieder nach Berlin. Dennoch möchte ich als Dorfkind nicht dauerhaft dort leben. Natürlich gibt in meinem Archiv natürlich auch sehr viele Bilder mit Erinnerungen aus dieser so vielfältigen Stadt. Ich hoffe sehr, dass ich im nächsten Jahr wieder unter besseren Bedingungen wieder öfter nach Berlin fahren kann, coronabedingt habe ich auch eine Hamburgtour storniert, was mir sehr schwer gefallen ist. Ein schönes Konzert in der Elphi, eine sicherlich interessante Beatles-Führung über die Reeperbahn, die viel bejubelte Ausstellung der Bilder von Peter Lindberg und die Eröffnung der Ausstellung eines Fotofreundes wären nur einige der Highlights gewesen. Gesundheit, auch die der Mitmenschen, geht aber vor. Deshalb wünsche ich euch: #bleibtgesund!

P.S.: Ich möchte dich gerne noch einmal an meine Frage aus dem letzten Blogbeitrag erinnern: Warum fotografiert du? Ich habe auch schon einige sehr interessante Antworten bekommen. Jetzt warte ich noch auf deine, entweder über das Kontaktformular oder per Mail an: wilfried.humann@gmx.de. Vielen Dank für deine Antwort!