Diese zwei „vergessenen“ Blätter unter einer neuen Knospe sind mir bei einem meiner einsamen Lockdown-Fotowalks rund um
unser kleines Rhöndorf ins Auge gefallen. Spontan fiel mir dabei ein, dass ich auch etwas fast vergessen habe. Meine eigene Antwort auf die Frage „Warum fotografiere ich?“ Vor einiger Zeit habe ich diese Frage hier im Blog
an euch gestellt und auch erfreulicherweise viele Antworten erhalten, die ich zusammengefasst vor einigen Wochen in einem Post veröffentlicht habe.
Meine eigenen Antwort fiel mir gar nicht so leicht, sie beschäftigte mich doch einige Tage lang immer wieder
in meinen Gedanken. Dabei kam mir auch meine fotografische Entwicklung immer wieder in den Sinn, spielt bei der Antwort schon eine wesentliche Rolle
Habe ich früher eigentlich nur im Urlaub und bei Familienfeiern fotografiert, die Entwicklung unserer beiden Töchter festgehalten oder unseren Hausbau dokumentiert, so hat sich das im Laufe der Zeit grundlegend verändert. Das rein
Dokumentarische meiner Fotografie hat mir zwar immerhin viele Fertigkeiten erzielt, gerade zu analogen Zeiten ohne jegliche Automatik habe ich mir so
z. B. die die wichtigen Zusammenhänge des Dreiklangs von ISO, Blende und Zeit autodidaktisch beigebracht oder den
Gebrauch eines Belichtungsmessers geübt. Von diesen Erfahrungen zehre ich auch noch heute im digitalen Zeitalter und möchte sie auch nicht missen.
Ein wesentlicher Anstoß für meine Weiterentwicklung war mein Beitritt zur Fotocommunity schon bald nach deren Beginn 2001, meine relativ niedrige Mitgliedsnummer zeigt das. Meine Fotografie verlangte
einfach nach mehr. Das intensive
Auseinandersetzen mit den
großartigen Bildern anderer Fotografinnen und
Fotografen, die damalige äußerst konstruktive Kritik durch andere Mitglieder an meinen Bildern, die vielen Tipps, die es am Rande immer wieder gab - all das hat meine Fotografie sehr
beflügelt. Bildaufbauhilfen wie z. B.
die Drittelregel, das Einbeziehen des Vordergrunds,
das Vermeiden von Bildfehlern wie schiefem Horizont ("auslaufendes Meer") oder aus den Köpfen wachsenden Bäume und vieles mehr habe ich dort gelernt. Voller Motivation habe ich immer
weiter versucht meine Fotografie zu verbessern, das war Ansporn und Ziel. Die Kamera hatte ich dazu natürlich viel öfter in der Hand, das Fotografieren wurde immer mehr zu einem großen Hobby.
Positive Kritik in der damals noch ziemlich ehrlichen Fotocommunity war natürlich auch erfreulich. Ich bin dort zwar immer noch Mitglied, aber seit einigen Jahren nicht mehr aktiv.
Viel meiner Fotofreunde haben sie im Rahmen der großen Umstrukturierung und der Kommerzialisierung vor Jahren verlassen. Mit
etlichen von ihnen stehe ich heute über Facebook in einem guten Kontakt. Die heutige Fotocommunity ist leider nicht
mehr das, was sie viele Jahre lang war. Falls Falk Frassa von den Podcasts „Die Photologen“ (https://www.photologen.de/) bzw. „Fotografie tut gut“
(https://www.fotografietutgut.de/) dies liest, würde ich mich freuen, wenn er mich vom Gegenteil
überzeugen könnte, er arbeitet seit Jahresbeginn bei der Fotocommunity.
Die Fürstenecker Fototage auf der namensgebenden Burg Fürsteneck (https://www.burg-fuersteneck.de/kursprogramm/fotografie_und_film/fuerstenecker_foto_tage/21-32701/)
- an denen ich seit ca. 10 Jahren teilnehme - mit ihren hervorragenden Workshops, mit den guten Freundschaften, die dort entstanden sind, haben mich dann noch mehr für die Fotografie begeistert. Auch hier gibt es gute Kontakte übers Jahr hinweg über die sozialen Medien, so z. B. mit Michaela und Oli. Bei diesen Fototagen habe ich auch die Streetfotografie kennengelernt, die heute zu einer großen Leidenschaft geworden ist. Auch mit Michael, dem hervorragenden und sehr engagierten Workshopleiter, bin ich immer wieder in Verbindung. Dass er mich und meine Streetfotografie vor einigen
Tagen im Podcast „Die Fotolinsen“ (https://die-fotolinsen.org/), bei dem er zu Gast war, in aller
Öffentlichkeit so gelobt hat, mich sehr überrascht und wahnsinnig gefreut. Michael ist übrigens auch Gründungsmitglied des ältesten Fotopodcasts, dem "Fotopodcast" (https://fotopodcast.de/) und bis heute aktiv dabei. Was "Lost Places" sind und was und wie man dort fotografiert, habe ich auch in Fürsteneck von Michael gelernt. Aber auch die anderen Kursleiterinnen und -leiter sollen hier nicht vergessen werden. Auch so Grundlegendes wie das Fotografieren in RAW und das Bearbeiten in Lightroom waren wichtige Erfahrungen und echte Meilensteine. Versuche in der Porträtfotografie, Experimentelles und vieles mehr waren sehr spannend und hilfreich für meine fotografische
Entwickeln. Irgendwie fühlt man sich dort wie in einer großen Familie, die jährlichen Fototage - die hoffentlich nach der Coronapause im vergangenen Jahr – in diesem Jahr wieder stattfinden können – sind wie große Familientreffen, bei denen auch neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr schnell integriert
werden.
Die Achtsamkeit und das Achtsamkeitstraining, die
ich nach einem schweren Burnouts kennen und schätzen lernen durfte, haben im Laufe der Jahre auch Einfluss auf meine Fotografie genommen und nehmen sie immer noch. Fotografie und Achtsamkeit sind insgeheim
eine Verbindung eingegangen, von der ich sehr profitiere. Achtsamkeit hat - und das kann ich nicht oft genug sagen - bei
mir nichts mit Esoterik zu tun und ist auch keine nichtssagende Floskel. Achtsamkeit ist für mich das Leben in der Gegenwart, im konkreten Moment und die Fotografie zeiget den jeweiligen Moment –
nicht umsonst spricht man ja von „Momentaufnahmen“. Für mich ist auch das Erkennen des Motivs, das Drücken des Auslösern das Fotografieren. Dieser Moment ist für mich das große Erlebnis. Die
spätere Kontrolle, das Aussortieren und das Bearbeiten der RAWs sind natürlich auch von Bedeutung, aber doch eher untergeordnet. Das sofortige Beurteilen der Aufnahme auf dem Display spielt
bei mir keine große Rolle (mehr). Meine X-T4 erlaubt auch das Zuklappen des Displays, so dass ich sogar schon gefragt worden bin, ob ich analog fotografiere.
Mein großes Interesse an der Schwarzweiß-Fotografie wurde durch einen hervorragenden mehrtägigen Workshop in Zingst (https://www.zingst.de/fotografie) vor einigen Jahren geweckt, den mir meine Frau liebevoll zu einem runden Geburtstag geschenkt hat. In diesen Tagen an der Ostsee habe ich wahnsinnig viel gelernt, die Kursleiterin in ihrer Art der
Impulsgebung, durch ihre Tipps und vor
allem durch ihre konstruktive Kritik war einfach genial.
Dass ich dann vor einigen Jahren noch auf den Stammtisch der Fotofreunde Fulda/Rhön getroffen bin, verdanke ich einem Fotofreund aus der Fotocommunity (So schließt sich manchmal auch der Kreis). Das gemeinsame Bilderbetrachten und „Kritisieren“, die hilfreichen Tipps bei den regelmäßigen Treffen,
den Exkursionen und den jährlichen mehrtägigen Fotoausflüge sind eine sehr große Bereicherung, die ich nicht mehr missen möchte. Coronabedingt sind Begegnungen zurzeit allerdings bedauerlicherweise lediglich online möglich. Online-Treffen sind leider nicht so
meins, irgendwie fehlt mir doch das reale Treffen, Zusammensitzen, Fachsimpeln, …
So - und „Warum fotografiere
ich?“
Die Fotografie hat besonders jetzt im Rentnerdasein einen sehr hohen Stellenwert in meinen Leben, in meinem Alltag.
Sie ist für mich Input und Output, sie lässt mich nicht auf der Stelle stehen, sie bringt und drängt (im positiven
Sinne) mich immer wieder zur
Weiterentwicklung. Sie lässt mich aber auch meine Eindrücke, Gefühle und Emotionen ausdrücken. Sie ist für mich Motor und Anker zugleich. Sie gibt mir Stabilität in schwierigen Zeiten, sie lässt
mich sogar Schmerzen vergessen. Sie
lässt mich meine Umgebung mehr
und sehr viel intensiver wahrnehmen.
Sie hat zusammen mit der Achtsamkeit meinen Fokus erweitert und geschärft - letztendlich ist sie für mich auch eine Form des Achtsamkeitstrainings. Ich lebe als fotografierender Mensch und Fotografie tut mir gut!
So ist es eigentlich logisch, dass ich
die Kamera fast immer dabei habe, wenn ich unterwegs bin. Auch zuhause ist sie immer griffbereit. Mir wurde ja schon nachgesagt, sie sei bei mir angewachsen. Spannend ist und bleibt für mich auch das Experimentieren mit der Kamera, seien es Mehrfachbelichtungen
(https://fotografie-und-achtsamkeit.jimdofree.com/2021/03/04/187-ehrfachbelichtung-mit-strom),
der Bereich der ICM-Fotografie (https://fotografie-und-achtsamkeit.jimdofree.com/2021/01/20/182-homeschooling-und-icm),
das Fotografieren mit Altglas oder auch Billigobjektiven etc.
Für mich war dieses intensive Nachdenken über meine fotografische Entwicklung und ihre wesentlichen Schritte höchst spannend und interessant. Ich bin gespannt, welche weiteren Schritte noch
dazukommen, in welcher Richtung es fotografisch weitergeht. Vielleicht ist das auch Anregung für dich, mal intensiv
über deine eigene fotografische Entwicklung nachzudenken, sie dir bewusst zu machen, weil genau das für eine effektive Weiterentwicklung hilfreich oder vielleicht sogar
zwingend notwendig sein kann.