... his name is "Bandscheibe". Mit diesen Worten begann der großartige Giora Feidmann (https://www.giorafeidman-online.com/biographie) sein Konzert in der Fuldaer Christuskirche. Langsam und behutsam wurde der gebeugte 85jährige vorher an seinen Platz geführt. Im Spiel seiner Klarinette war dann aber von Alter, Langsamkeit, Schmerzen und Behinderung nichts mehr zu spüren. Hier war und ist der große Meister des Klezmer (https://www.br-klassik.de/programm/sendungen-a-z/mittagsmusik/thema-klezmer-114.html) voll und ganz in seinem Element.
Mich plagt schon seit über einer Woche eine heftige Erkältung, den geplanten Besuch der Buchmesse in der vergangenen Woche musste ich schon sausen lassen. Das Presseticket war da, die Zugfahrt
gebucht, aber Schnupfen und starker Husten mit Brummschädel hinderten mich daran. Schade! Aber die Achtsamkeit hat mich zum Glück gelehrt, nicht nachzutrauern.
Jetzt drohte auch noch dieser Konzertbesuch ins Wasser zu fallen. Ich hatte mich so gefreut, Giora Feidmann und seine singende Klarinette wieder einmal erleben zu dürfen. Meine Frau hatte
mich zu meinem Geburtstag mit Konzertkarten überrascht, ohne zu wissen wie sehr Feidmann mit seiner Musik mich schon immer beeindruckt hat. Aber nach 43 Ehejahren hat man ein großes Gespür
füreinander entwickelt.
Entgehen lassen konnte ich mir dieses Konzert dann wirklich nicht. Vielleicht war es die letzte Chance den doch schon sehr gebrechlichen großen Meister noch einmal live zu erleben. Ausgestattet
mit Schmerztabletten, Papiertaschentüchern und jeder Menge an Hustenbonbons, um das Konzert nicht durch meine Husterei zu stören, machte ich mich auf zur Christuskirche. Abstand, 3G und Maske
waren ja geboten, also hatte ich auch keine Bedenken, evtl. andere anzustecken.
Und es war ein Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde. Der alte gebrechliche Mann, der auf seinem Stuhl hängend fast hinter dem Notenständer verschwand, der vor Schmerzen nicht
wusste, wie er sich setzen sollte, lebte jedesmal auf, wenn seine Klarinette ertönte. Da war der Giora Feidman zu spüren, wie man in eigentlich kennt. Einer der leichtfüßig im Spiel seiner
Klarinette über die Bühne tanzt. Wenn ich die Augen bei seinem Spiel schloss, sah ich ihn direkt auch wieder tanzen. Man spürte, dass die Musik sein Leben ist, seine Augen
glänzten, seine Schmerzen schienen vergessen. Er zeigt deutlich, dass er kein Mitleid will, er will Klarinette spielen, solange er das kann. Nicht umsonst spricht man bei ihm von der
"singenden Klarinette". Mich hat er an diesem Abend sehr beeindruckt, diese Stärke in aller Gebrechlichkeit ist bewundernswert.
Ich habe die anderthalb Stunden in tiefster Achtsamkeit erlebt. Ich war gefangen in seiner Musik. meine Erkältung war vergessen, die Hustereize waren weg. Die Zeit verging wie im Flug.
Einen der letzten Songs "Yesterday" von den Beatles, verjazzt, improvisiert und mit einem für Giora Feidmann typischen jubilierenden auf- und abschwellenden Klezmerende, habe ich fast wie ein
persönliches Geschenk an mich, einen großen Beatlesfan, erlebt. Danke Giora Feidmann!
P.S.: Fotografiert habe ich natürlich nicht bei diesem Konzert. Viele Bilder sind aber tief in mir geblieben. Der gebrechliche alte Mann und die leichte fast schwebende Musik seiner Klarinette -
Ein Kontrast, der sich tief und bewundernd bei mir eingeprägt hat. Die Musik erinnert mich immer wieder an Wellen, wie ich sie erst vor kurzem an der Nordsee erleben durfte: langsam
anrollend, heftiger und gewaltiger werdend, dann wieder im Sand verlaufend, sich wieder neu aufschaukelnd usw. Das hat was von Klezmer.