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(249) Schleier und Männerstiefel

Sonntagnachmittag kurz nach 14 Uhr: Das kleine Café der Kunststation Kleinsassen in der Rhön (https://kunststation-kleinsassen.de/portrait/) quillt über vor Menschen. Sie sind nicht nur gekommen, um Kaffee und Kuchen zu genießen, sondern vor allem um an einem Künstlergespräch mit der iranischen Fotografin Mojgan Razzaghi (https://mojganrazaghi.com/) teilzunehmen. Mojgan Razzaghi hat im Iran Fotografie studiert und stellt zurzeit in der Kunststation unter dem Titel „Invisible“ einige Fotoserien hier aus, im Iran könnte sie das nicht.

In diesen Serien beschäftigt sie sich sehr intensiv mit der Freiheitsbewegung der Frauen im Iran. Ein wesentliches Symbol einiger Serien ist die Befreiung, die Loslösung vom Schleier, von der Einengung, der Unterdrückung. Sehr eindrucksvoll und dicht wirkt auf mich besonders die Serie mit dem roten Schleier, mit der die Ausstellung beginnt. Eine andere Serie symbolisiert noch sehr viel stärker die Unterdrückung der Frauen durch die Männer, eine Frau mit transparenter Plastikfolie verhüllt, auf der die Abdrücke schwerer Stiefel zu sehen sind, die Frau, die nur noch als Ware betrachtet wird, über die der Mann verfügen kann. Erschütternd und emotional berührend sind diese Bilder, die Mojgan im Iran mit iranischen Frauen fotografiert hat und auch weiter fotografieren wird. Sie sind eine Anklage an das Regime und gleichzeitig ein Appell an das Aufbegehren gegen diese Unterdrückung. Fotografie ist hier zu einem wirksamen Werkzeuge sowohl der Anklage als auch des Mutmachens geworden.

Im intensiven Gespräch mit der Künstlerin wird diese Unterdrückung, diese totale Einengung der Rechte der Frauen immer wieder in alltäglichen Beispielen sehr bedrückend deutlich. Der Mut dieser Frauen, auch dieser Künstlerin, auch unter Lebensgefahr dagegen zu kämpfen, ist bewundernswert und macht betroffen zugleich. Dagegen sind unsere Probleme trotz Energiekrise und Inflation doch sehr klein. Achtsamkeit bedeutet für mich keine falsche Ichbezogenheit, wie sie leider oft gesehen wird, sondern achtsam, mit wachen Augen dieser Welt zu begegnen. Diese Bilder, dieses Künstlergespräch haben in mir genau diesen Blick wieder intensiviert. Ich suche nach Wegen, wie ich diese Freiheitsbewegung der Frauen im Iran unterstützen kann. Momentan gibt es eine leichte und vage  Hoffnung, die genutzt werden muss. Eine solche Chance wird vermutlich so schnell nicht wiederkommen.

 

Musikalisch umrahmt wurde das Gespräch von dem Weltmusiker Omid Bahadori (https://www.omidbahadori.com/biografie.html), der ebenfalls aus dem Iran stammt. Seine ruhige, fast meditative Musik gespielt mit einer Vielzahl von Instrumenten gab Raum um über das Gehörte und Gesehene nachzudenken.  


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Kommentare: 2
  • #1

    Monika Ebertowski (Montag, 23 Januar 2023 15:55)

    Danke für Ihren Beitrag. Es freut uns- die Kunststation Kleinsassen sehr, dass unsere Veranstaltung so ein Echo auslöst! Nun hoffen wir auf regen Ausstellungsbesuch und natürlich hoffen wir sehr, dass die Protestbewegung im Iran zum Erfolg führt!
    Herzliche Grüße aus Kleinsassen
    Monika Ebertowski (Leiterin der Kunststation Kleinsassen )

  • #2

    Mojgan Razzaghi (Donnerstag, 09 Februar 2023 10:18)

    Vielen Dank für Ihren Beitrag. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, an unserer Veranstaltung teilzunehmen. Ich freue mich sehr, dass meine Kunstwerke Ihre Aufmerksamkeit bekommen haben.
    Ich hoffe, dass wir alle Möglichkeiten zur Menschlichkeit, Freiheit und Frieden ausschöpfen können.
    Mit herzlichen Grüßen
    Mojgan Razzaghi