Wer sich in der Achtsamkeit üben will, darf keine konkreten Vorstellungen über deren Wirkung haben. Erwartungen sind fehl am Platz und verhindern eher das Erwünschte. Jon Kabat-Zin hat seinen
MBSR-Kurs zwar zur Stressreduzierung entwickelt. Die Kurse haben sich inzwischen auch deutlich bewährt, wissenschaftlich sind sie fundiert. Ich bin durch einen solchen Kurs vor Jahren auch
erstmalig mit der Achtsamkeit in Verbindung gekommen. Ich hatte keine konkreten Erwartungen, außer vielleicht der vagen Hoffnung, dass es mir irgendwie gut tun würde. Zu hohe Erwartungen auf eine
schnelle Wirkung führen immer wieder zum vorschnellen Abbrechen des Kurses. Das Üben der Achtsamkeit, das Achtsamkeitstraining braucht Zeit, manchmal sehr viel Zeit und natürlich auch viel
Geduld. Vorschnelle Hoffnungen und Erwartungen verhindern meine Offenheit mit der ich der Achtsamkeit begegnen sollte. Acht Wochen lang täglich 30-45 Minuten zu üben, erfordern sehr viel
Konsequenz und einen langen Atem. Die wöchentlichen Gruppensitzungen von 2-3 Stunden Dauer wollen auch durchgehalten werden. Dass das tägliche Üben einen lebenslänglich begleiten wird,
sollte auch bewusst sein. Nach den acht Wochen des Kurses ist sicherlich kaum jemand "geheilt", vielleicht hat man auch noch keinerlei Wirkung verspürt. Ich hatte nach einigen Wochen eine
verblüffende Wirkung, die ich auch schon mehrfach erwähnt habe, ich konnte nicht mehr gleichzeitig Frühstücken und Zeitung lesen, was ich vorher jahrzehntelang gemacht habe. Es widerstrebte mir
einfach und das hat sich bis heute durchgehalten. Die Achtsamkeit forderte eine Konzentration auf das Essen oder das Lesen. Diese Wirkung hatte ich mir sicherlich nicht erhofft, ich fand es eher
etwas enttäuschend, das etwas Gewohntes plötzlich nicht mehr ging. Ähnliches hat sich inzwischen auch in anderen Bereichen getan, ständige Musikberieselung - wie ich sie früher gerne hatte
- widerstrebt mir jetzt sehr deutlich. Stress ertrage ich schon seit einiger Zeit deutlich besser, seit wann kann ich nicht genau sagen. Dazu habe ich auch in vorhergehenden Beiträgen schon
einiges geschrieben. Ich lebe auch bewusst und aktiv in der Gegenwart, Zukunftsängste belasten mich kaum noch. Die Zukunft ist wenig relevant. Auch das war ein schleichender Prozess, irgendwann
stellte ich fest, dass es so ist. Die Achtsamkeit hat einiges in mir bewirkt und dafür bin ich dankbar. Da ich ja weiterhin dranbleibe, gibt es vielleicht noch weitere Überraschungen. Wichtig ist
auf jeden Fall das konsequente tägliche Üben. Ohne das Üben wird sich nichts tun trotz aller Erwartungen. Ein großes Hindernis sind sicherlich vorschelle und zu hohe Erwartungen.
In vielen anderen Bereichen ist das doch eigentlich genauso. nehmen wir das Fotografieren: Meine Fotografie ändert sich nicht dadurch, dass ich mir ein neue Kamera kaufe. gerade dann muss ich intensiv üben, um sie kennen zulernen und irgendwann auch zu beherrschen. Meine Bilder werden nicht automatisch durch eine neue Kamera besser. Auch der beste Workshop verbessert meine Bilder nicht, wenn ich nicht das Gelernte anwende und umsetze. Auch das braucht Übung und Zeit. Meine Kamera liegt möglichst immer griffbereit, ich habe sie auch meistens dabei, wenn ich unterwegs bin. Es gibt immer wieder Motive, an denen gearbeitet werden kann. Konsequentes Üben verlangt von mir auch einen deutlichen Einsatz. Im digitalen Zeitalter kann man ja zum Glück die Resultate sofort beurteilen und die Fehler erkennen und ggf. die Einstellungen anpassen. Aus Fehlern lernen ist auch eine anerkannte Form des Übens. Wichtig sind hier auch kritische Freunde, die mich auf Fehler hinweisen, die ich meiner eigenen Blindheit nicht festgestellt habe. Oft staune ich bei solchen Kritiken, die ich meist sehr gut nachvollziehen kann, dass ich diese Fehler nicht selbst bemerkt habe. In der analogen Zeit , in der ich einige Jahrzehnte fotografiert habe, dauerte es immer einige Tage bis der entwickelte Film wieder da war und die Bilder gesichtet werden konnten. Der zeitliche Abstand macht allerdings die Fehlererkenntnis intensiver. Auch die Beschränkung auf deutlich weniger Bilder aus finanziellen Gründen kann man sich heute kaum noch vorstellen. Das führte aber auch dazu, dass die Bilder sehr viel sorgfältiger geplant wurden. Gerde bei reisen sah man ja die Ergebnisse erst, wenn man wieder zuhause war. Da macht uns die digitale Gegenwart das Üben doch deutlich leichter. Überhöhte Erwartungen sind auch bei der Entwicklung meiner Fotografie sicherlich fehl am Platz. Ich übe, versuche Tipps anzuwenden und vor allem meine Kamera noch besser kennen zulernen. Da wird sich dann schon etwas tun.