Frei nach Goethe: Wie hältst du's mit der Streetfotografie? Die DSVGO hat ja im letzten Jahr deutlich gebremst, aber größere Folgen für uns sind zum Glück ausgeblieben. Für mich gehört die Streetfotografie seit einigen Jahren zu meinen Lieblingssparten in der Fotografie. Voll konzentriert durch eine Stadt zu laufen, fokussiert auf interessante und spannende Szenen ist sich ein hervorragendes Achtsamkeitstraining.
Vor einigen Tagen bin ich im Netz auf einen Blogbeitrag desbekannten und weitgereisten Streetfotografen F. D. Walker gestoßen: "7 Habits of a Boring Steet Photographie" (http://shooterfiles.com/2015/07/7-habits-of-boring-street-photography/). Der Autor beklagt, sicherlich auch zurecht, dass das Netz voller langweiliger Streetfotografie ist, viele Bilder sind schlecht gemacht und nichtsagend. Zum Verbessern der eigenen Streetfotografie schlägt er einige Gewohnheiten langweiliger Streetfotografie zu vermeiden und benennt dann auch gleich sieben solcher schlechten Gewohnheiten. Ich finde diesen Beitrag höchst interessant und habe mich daher, in der Hoffnung meine Streetfotografie zu verbessern, intensiv damit auseinandergesetzt.
1. Nothing of interest in the Photo
Einleuchtend ist diese Aussage sofort, einfach einen einzelnen Menschen oder eine Gruppe Menschen auf der Straße zu fotografieren, hat keine Wirkung, erzählt keine Story. Ich gebe zu, so habe ich auch angefangen, mir ist das Nichtssagende aber recht bald aufgefallen. Ich suche jetzt mehr nach Interaktionen von Menschen oder irgendwelchen Eigenheiten, allerdings ohne jemanden bloßstellen zu wollen.
2. Too Far Away
Es gibt ja auch den Spruch eines berühmten Fotografen: "Wenn dein Bild schlecht ist, dann warst du zu weit weg." Diese Aussage kann ich nur bestätigen. Näher ran - ist nicht nur in der Streetfotografie die Maxime. Gerade hier kostet es aber schon Überwindung. Ich brauchte eine gewisse Zeit, um mit immer kürzeren Brennweiten zu fotografieren. Aber nur so binde ich die Betrachter meiner Bilder enger in die Szenen ein.
3. Streetperformers and homless
Traurig aber wahr! Bei Straßenkünstlern fotografiere ich allerdings hin und wieder doch mal, es muss dann aber schon etwas außergewöhnliches sein. Ansonsten sind das Bilder, die oft hundertfach gemacht werden und so ihren individuellen Wert verlieren. Obdachlose zu fotografieren empfinde ich als deutlichen Verstoß gegen die Würde dieser Menschen. Und gerade solche Bilder finde ich leider sehr häufig auch bei prominentesten Streetfotografen und auch in besseren Streetfotografie-Foren. Leider bieten sie sich als scheinbar leichte Fotoobjekte an, weil sie nicht in Bewegung sind und an ihrem Platz verharren.
4. Too Much Bookeh
Bokeh ist ja bei uns Fotografinnen und Fotografen sehr beliebt. Immer mehr Offenblende, immer teure Objektive - Das will ja auch genutzt werden - aber nicht in der Streetfotografie. Das habe ich leidvoll schon mehrfach erfahren müssen. In einer Straßenszene ist Bewegung, sinnvollerweise sind auch mehrere Personen beteiligt. Nichts ist schlimmer als wenn einiges davon in der Unschärfe verloren geht. Bei der Streetfotografie bin ich auf schnelles und spontanes Reagieren angewiesen. Wenn ich da mit einem extrem engen Schärfebereich arbeiten will, kann das nur schiefgehen. Auch das Authentische der Szene, die ja im Realen keine Unschärfe enthält, kann leicht verloren gehen.
5. People Dooing Nothing Spezial
Diese Aussage korreliert mit Punkt 1, ohne etwas wirklich Auffälliges, Besonderes, Interessantes werden solche Bilder schnell langweilig. Gestik, Verhalten und auch die Beleuchtung u. ä. können das Bild dagegen sehr spannend machen. Auch die Umgebung spielt eine große Rolle. Genaues Beobachten und schnelles Reagieren sind gefordert. Eine aussagekräftige Geste kann ganz schnell vorbei sein.
6. No Composition
Viele Bilder wirken wie auf die Schnelle im Vorbeigehen geknipst. Streetfotografie braucht aber Zeit. Ich muss beobachten und ruhig bleiben, evtl. Abwarten, ob sich wirklich eine geeignete Szene entwickelt. Auch die Umgebung will einbezogen werden. Ein ungeeigneter Hintergrund kann das ganze Bild verderben. Wenn ich nicht auch in der Schnelle die Komposition beachte, wird das Bild vermutlich uninteressant. Die Komposition kann logischerweise nicht immer perfekt sein, aber Störendes sollte man schon beim Fotografieren erkennen und vermeiden. Oft genug habe ich es erst beim Betrachten eines Bildes entdeckt und mich sehr geärgert.
7. Over Edited
Man kann heute Bilder sehr intensiv bearbeiten. Die Bearbeitung kann aber auch eine gewaltige Falle sein. HDR eignet sich z. B. wenig für die Streetfotografie. Hier darf das Authentische des Fotos nicht verloren gehen. Die Bearbeitung muss das Gefühl unterstützen, das ich zeigen will und nicht verfälschen oder verwässern.
Mich hat die Auseinandersetzung mit diesen sieben Punkten ganz schön gepackt. Einiges ist sehr bedenkenswert. Meine Gedanken sind aktiviert worden Zu großen Teilen kann ich dem Autor nur zustimmen. Immer wieder habe ich mich in der Entwicklung meiner Streetfotografie wiedergefunden und bin auch bestätigt worden. Ich werde mir diese 7 Punkte auf jeden Fall einprägen und möglich gut beachten. Meine Streetfotografie soll ja besser werden. Dann macht sie mir vermutlich noch mehr Spaß. Vielleicht habe ich ja auch durch meine Auseinandersetzung mit dem Text auch deine Gedanken angeregt.
P.S.: Es lohnt sich auf der Website von F. D. Walker (http://shooterfiles.com/) zu stöbern, dort finden sich noch weitere interessante und auch weiterführende Beiträge und natürlich sehr viele Streetfotos.