Vor einigen Tagen erzählte ich meiner Tochter, dass ich in letzter Zeit nur noch mit einem Objektiv fotografiere. Sie fragte dann gleich, ob es das mit dem schönen unscharfen Hintergrund sei, den sie von den Bildern mit ihrer kleinen Tochter kennt.
Es ist das 35mm 1.4 von Fujifilm, das ich letztes Jahr im Herbst gebraucht zu einem günstigen Preis erworben habe. Hier im Blog habe ich schon von einem ersten Test auf einem Weihnachtsmarkt berichtet. Inzwischen habe ich schon sehr viel damit fotografiert, es ist zu meinem derzeitigen Lieblingsobjektiv geworden. 35mm bei APSC entsprechen ja in etwa dem früher als Normalobjektiv bezeichneten 50mm Objektiv beim analogen Kleinbildformt, das ja heute so gerne als "Vollformat" bezeichnet wird.
Als
junger Student habe ich mit meiner ersten Spiegelreflexkamera ein solches 50er Objektiv erworben, das dann lange Zeit auch mein einziges blieb. Mehr war als Student nicht drin. Das Zoomen
mit den Füßen war damals für mich ganz normal und hat auch bei den meisten Motiven ausgereicht. Jetzt nach meiner Hüft-OP kann ich ja auch wieder recht gut laufen und so auch die damalige
Zoommöglichkeit wieder anwenden. So erobere ich mir seit einigen Tagen auch meine nähere Umgebung wieder zurück. Mit Wald und Wiesen vor der Haustür begegne ich auch in diesen schwierigen Zeiten
kaum einem anderen Menschen und kann so das #stayalone sehr gut durchhalten.
Das
Spiel mit der Offenblende, das zu dem bei meiner Tochter so beliebten unscharfen Hintergrund führt, macht zusätzlichen fotografischen Spaß. Mir reicht das auch aus, ich brauche kein "Vollformat"
mehr mit seinen schweren Objektiven. Aber auch andere Blenden sind bei meinem 35er natürlich toll, die faszinierende Schärfe dieses Objektivs - die bei Offenblende natürlich sehr eng begrenzt ist
- fasziniert mich bei meinen Experimenten, die ich zurzeit sowohl im Haus als auch in der näheren Umgebung durchführe. Es sind zwar nicht die chemischen Experimente, die ich früher als
Chemielehrer zur Begeisterung meiner Schülerinnen und Schüler durchgeführt habe, aber immerhin hat das Fotografieren ganz schön viel mit Physik zu tun, einem Fach, das ich auch zeitweise
unterrichtet habe.
Aber dieses Experimentieren beim Spiel mit der Schärfe fördert auch meine Achtsamkeit, meine Konzentration auf den Moment, auf die so ganz konkrete Gegenwart. Es ist auch eine der vielen
Möglichkeiten von Achtsamkeitstraining, die man im Alltag finden kann. Und diese seit Jahren regelmäßig geübte Achtsamkeit hilft mir auch in dieser ungewöhnlichen Situation in der Gegenwart zu
bleiben und trübe Gedanken an die Zukunft beiseite zu schieben, sie kommen und gehen zu lassen wie Wolken am Himmel. So habe ich das schon vor Jahren im MBSR-Kurs
(https://www.mbsr-verband.de/achtsamkeit/mbsr) gelernt und auch inzwischen schon recht gut verinnerlicht.
Ich kann dir nur empfehlen, dich
fotografisch auch mal wieder auf ein einziges Objektiv zu beschränken, seine Grenzen auszureizen, seine
vielen Möglichkeiten mal wieder neu zu erkennen - in der Achtsamkeit nennt man das den "Anfängergeist" - etwas wie ein Kind (wieder) neu entdecken - und dabei richtig viel Spaß zu haben. Hier ist
der Weg das Ziel, das aktive Fotografieren selbst, weniger das Resultat - das natürlich auch sehr gut sein kann.