Gibt's die Schonhaltung auch in der Fotografie? Ich glaube schon, aber dazu später. Aufgrund beidseitiger Hüftarthose und eines komplizierten Bruches des Sprunggelenks bin ich der prädestinierte Vertreter der Schonhaltung. Ich weiß auch wie schwer es ist, sie wieder zu verlernen bzw. das normale Gehen wieder zu lernen. Immer wieder haben mich da Physiotherapeuten zum Weinen gebracht. Gerade erst habe ich das ganze wieder mal erlebt, das Laufen klappt gut, das humpeln ist weitgehend weg, die neue Hüfte funktioniert schmerzlos. Aber ich muss immer noch auf meinen Gang achten, damit ich nicht wieder in die so gewohnte Schonhaltung verfalle, die für das neue Gelenk nicht so sinnvoll wäre. Auf jeden Fall merke ich inzwischen viel Positives durch die neue Hüfte, ich kann mich wieder problemlos bücken, um meine Schuhe zu binden, wenn sie unterwegs aufgehen. Bisher habe ich dann immer eine Bank oder ähnliches gesucht um den Fuß hochzustellen, damit ich überhaupt an meine Schuhe drankam.
Und da ich mich wieder gut bücken und auch wieder in die Knie gehen kann, ist es auch an der Zeit, die fotografische Schonhaltung oder besser gesagt die fotografischen Schonhaltungen anzugehen.
Auch das wird nicht einfach sein, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ich will einfach wieder mal aus anderen Perspektiven fotografieren, als der aufgerichtet aus normaler Augenhöhe. Aus der
Froschperspektive sieht die Welt doch wieder ganz anders aus. Da unten war ich schon lange nicht mehr. Endlich kann ich meinen Enkelkindern auf Augenhöhe begegnen und muss sie nicht mehr von oben
herab oder im Sitzen fotografieren. Der Perspektivwechsel ist spannend und ich merke wie sehr er mir gefehlt hat. Ich werde das in nächster Zeit immer wieder bewusst angehen, auch das ist
achtsam. Klappdisplays sind dazu zwar eine gewisse Hilfe, aber um die Kamera zum fotografieren auf dem Boden abzusetzen, fehlten mir doch so einige „Zentimeter“.
Überprüfe doch mal, ob du auch eine fotografische Schonhaltung einnimmst, die du dir vielleicht sehr lange angewöhnt hast, ohne überhaupt den Grund noch zu kennen. Wenn ja, überwinde dich - du
wirst so wie ich überrascht und vielleicht auch genauso begeistert sein.
Über die körperlich bedingten Schonhaltungen hinaus gibt es aber fotografisch noch weitere, oft genug gehen wir fotografisch immer wieder die alten uns so bekannten immer gleichen Wege, halten
uns ganz streng an irgendwelche Regeln, wo auch immer diese herkommen, und haben das Experimentieren, das Probieren neuer Ideen total vergessen. Ich fotografiere z. B. sehr gerne Spiegelungen in
Schaufenterscheiben oder auf Autokarosserien, sie können so herrlich vielschichtig und verfremdend sein. Das Wahrzeichen einer Stadt in einer solchen Spiegelung hat für mich dann schon etwas
Besonderes, es ist nicht das altbekannte Postkartenmotiv. Die Schaufenster von Frisörläden sind auch oft ein spannendes Motiv, weil sich in den Läden meist mehrere große Spiegel befinden, die man
einbeziehen kann.
Ich schaue mir aber auch sehr gerne Bildbände anderer Fotografinnen und Fotografen an, um mich zu Neuem inspirieren zu lassen. Das ist für mich dann keine Nachahmen, jedes Bild ist anders. Es sind für mich einfach Ideen, die ich neu umsetze. Auch das Netz ist voller toller experimenteller Fotografien, man muss nur suchen. Sogar bei Facebook und Instagram kann man da sehr gut fündig werden. Viele Fotografinnen und Fotografen haben auch hervorragende eigene Webseiten mit faszinierenden Portfolios. Lass dich inspirieren.
P.S.: Das heutige Bild ist gerade heute Nachmittag bei einem Spaziergang entstanden, die tiefere Perspektive lässt nach meinem Empfinden den weiten recht dramatischen Wolkenhimmel noch stärker wirken.