Kein Präsenzunterricht, Homeschooling, Distanzunterricht - egal wie man es nennt, es ist problematisch. Aufgrund meiner
langjährigen Erfahrungen als Lehrer und Lehrerausbilder sehe ich da jede Menge Schwierigkeiten. In der Praxis erlebe ich sie derzeit mit meinem achtjährigen Enkel sehr konkret. Er bekommt einmal
pro Woche per Mail einen Wochenarbeitsplan auf einer DinA4-Seite mit mehr oder oft weniger sinnvollen Aufgaben. Die Hefte mit den erledigten Aufgaben sind dann dienstags in der Schule
abzuliefern, gleichzeitig wird dann auch noch ein Packen Arbeitsblätter ausgehändigt. Das wars dann auch schon mit dem Kontakt zu den Lehrkräften. Von Onlineunterricht ist nichts zu erkennen. Die
Lehrarbeit liegt voll und ganz auf der Seite der Eltern oder auch Großeltern. Mein Schwiegersohn leistet Schwerstarbeit als Pfleger in einem Altersheim und meine Tochter hat Homeoffice. Zur
Unterstützung quäle ich mich des Öfteren mit meinem Enkel durch diese Form des Homeschoolings und könnte mich fast ständig darüber aufregen, was hier den Eltern so zugemutet wird. Zum
Glück arbeitet mein Enkel gerne mit mir. Aber täglich mehrere Stunden sind dann schon grenzwertig, zumal sogar ich immer mal bei den Aufgabenstellungen rätsele, was eigentlich gemacht werden
soll. Solche Zustände in unserem "Bildungsland" Deutschland sind schon sehr erschreckend. Und unser Kultusminister lobt nur, wie gut das alles klappt.
Pausen im Homeschooling müssen natürlich auch sein. Einfache Achtsamkeitsübungen zur besseren Konzentration gehören natürlich dazu, die habe ich auch schon früher mit meinen Schülerinnen und
Schülern gemacht. Mit vereinten Kräften sind so im Garten aber auch vier Schneemänner und ein Iglu entstanden. Mein Enkel interessiert sich auch für meine Fotografie, er will immer mal die Bilder
sehen, die ich in letzter Zeit gemacht habe. Gestern kam er dann auf die Idee, sie mit Punkten zwischen 1 und 10 zu bewerten. Dabei erhielt ich etliche schlechte Bewertungen, es gab auch viel
Mittelmaß. Richtig begeistert war er aber von meinen experimentellen Bildern mit Wischen, Schwenken und Zoomen während der Belichtungszeit. Dafür gab es richtig hohe Punktzahlen, ein Bild wünscht
er sich sogar für sein Zimmer zuhause.
Diese abstrakt anmutende Fotografie nennt man "ICM" (intentional camera movement). Vielleicht gibt es diese Bezeichnung schon länger , ich hin aber erst in diesen Tagen drauf gestoßen. Mir macht
diese Form der Fotografie schon seit längerem sehr viel Spaß (https://fotografie-und-achtsamkeit.jimdofree.com/2020/11/07/gefiltert/), das Experimentelle lässt mich oft die Zeit
vergessen, ich bin immer mal wieder deutlich länger unterwegs, als ich es eigentlich vorhatte. ICM ist motivierend, spannend und hat auch etwas Achtsames in sich, in ihr ist der schon oft hier
erwähnte Anfängergeist zu spüren. Die Ergebnisse reizen zu unterschiedlichsten Kommentaren. Zu meinen Posts auf Facebook erhalte ich begeisternde, aber auch total ablehnende Bewertungen wie
"total verwackelt", "Fotograf unter LSD", ... . Solche extreme Kommentare, die teilweise regelrechte Diskussionen auslösen, ärgern mich aber überhaupt nicht, ich finde sie wesentlich spannender
und interessanter als viele zustimmende Likes. Diese Bilder wurden zumindest länger betrachtet und nicht nur durchgescrollt. Ich fühle mich bestärkt, gerade auch zusammen mit dem Lob meines
Enkels, diesen experimentellen Exkurs in meiner Fotografie weiterzuverfolgen. Das Homeschooling mit meinem Enkel geht natürlich auch weiter, immerhin verbindet es mich noch enger mit ihm.
P.S.: Falls dich ICM auch interessiert, findest du hier eine recht gute Erklärung mit Beispielen und hilfreichen Tipps: https://katefish.eu/de/abstrakte-fotografie-durch-intentional-camera-movement-icm/